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Nr. 19,509. 8. 125.
Ministerial-Entschließung vom 11. August 1854, die epidemische
Brechruhr betr.
Staatsministerium des Innern.
Bei dem Wiederauftreten der Brechruhr in München ist
es nöthig, die Listen über die vorkommenden Erkrankungen mit
Genauigkeit und einer bestimmten systematischen Grundlage
anzufertigen, denn diese Listen haben den doppelten Zweck,
1) die Staatsregierung in genauer fortlaufender Kenntniß
des Standes dieser wichtigen Angelegenheit zu erhalten, und
2) als wissenschaftliches Materiale zu dienen, um nach
Ablauf dieser Epidemie von der Entwickelung und dem Fort-
gange derselben ein getreues Bild zu geben.
Damit nun dieser doppelte Zweck erreicht werde, ist die
ganze Sorgfalt der k. Regiernng, K. d. J., darauf zu richten,
daß diese Listen möglichst vollständig und der Wahrheit gemäß
angefertiget werden. Es ist darauf zu achten, daß alle Fälle
von wirklicher Cholera zur Anzeige kommen und daß nicht Er-
krankungen als der Cholera gehörig von den Aerzten angezeigt
werden, welche ihr bei einer gewissenhaften Diagnose nicht zu-
geschrieben werden dürfen. Der erste Fehler wird von manchen
Aerzten deßhalb begangen, weil sie glauben das Publikum
werde durch die Zahl der Erkrankungen beunruhigt; sie ent-
schließen sich daher, nur die ausgezeichnetsten, gewöhnlich mit
dem Tode endigenden Fälle anzuzeigen. Würde diese Maxime
an einem Orte allgemein, so müßte das Verhältniß der Er-
krankten zu den Genesenen ein höchst= ungünstiges und gerade
hiedurch der Schrecken vermehrt werden. — Im Gegensatze zu
Diesem gibt es Aerzte, welche jede Diarrhöe oder jeden ein-
fachen galligen Brechdurchfall als Cholera anzeigen, entweder
weil ihnen die scharfe diagnostische Unterscheidung abgeht oder
aus dem viel schlimmeren Grunde, weil sie dem Publikum durch
eine wirkliche Fälschung eine hohe Meinung von ihrer ärzt-
lichen Geschicklichkeit, besonders in der Behandlung von Cholera-
Kranken, beibringen wollen. Die königl. Regierung, K. d. J.,
wird das genaueste Augenmerk darauf richten, daß die beiden
genannten Extreme vermieden werden, daß somit nur Fälle von
ächter Cholera — deren Erkenntniß in der Regel nicht schwer
ist — diese aber auch möglichst vollständig in die Listen
kommen.