Full text: Das Civil-Medizinal-Wesen im Königreiche Bayern. 3. Band. Die Medizinalpolizei (Fortsetzung). (3)

603 
Die fehlerhafte physische Erziehung der Kinder in den er- 
sten Lebensjahren ist eine reichliche Quelle der großen Sterb- 
lichkeit und der Gesundheitsstörungen auf dem Lande. 
Hieher gehört das Einwickeln der Neugebornen in schmutzige 
Binden und Windeln, der Aufenthalt derselben in schweren Bet- 
ten, in heftig geschaukelten Wiegen neben dem überheizten Ofen, 
die vernachlässigte Reinlichkeit bezüglich des Waschens, Badens 
und des Wechselns der Wäsche. Oft werden die armen Ge- 
schöpfe ganze Tage lang sich selbst überlassen oder höchstens unter 
die Aufsicht kleiner Geschwister gestellt, welche sich selbst nicht 
zu helfen wissen. Die Unsitte des künstlichen Auffütterns der 
Kinder nimmt auf dem Lande immer mehr überhand; die Müt- 
ter werden immer seltener, welche ihren Kindern die Brust 
reichen; hie und da sollen die Hebammen selbst diesen Mißbrauch 
befördern, damit die Frauen desto leichter wieder concipiren und 
ihre Hilfe desto öfter in Anspruch nehmen. 
Häufig werden schwächliche unentwickelte Kinder, namentlich 
Mädchen zum Tragen jüngerer Kinder angehalten, zu frühe 
schon auf anstrengende oder sonst nachtheilige Weise beschäftiget, 
jüngst Entbundene unterziehen sich anstrengenden körperlichen 
Arbeiten.- 
Zur Hebung dieser Mißstände kann das ärztliche Personal 
noch das Meiste beitragen, daher ist dasselbe, besonders auch die 
Hebammen geeignet zu instruiren und aufzufordern, keine Ge- 
legenheit vorübergehen zu lassen, die Mütter auf den rechten 
Weg zu weisen. 
Eine Hauptquelle des Siechthums auf dem Lande ist die 
Vernachlässigung der Krankheiten. Es ist ein allgemein auf 
dem Lande verbreitetes verderbliches Vorurtheil, daß gegen die 
Krankheiten der Kinder ärztliche Hilfe nichts vermöge, oder daß 
dieselbe nicht nothwendig sei; es werden daher die Aerzte höchst 
selten zu kranken Kindern gerufen. Dadurch gehen viele zu 
Grunde oder werden siech und elend für ihr ganzes Leben. 
Diesem Vorurtheile ist kräftigst zu begegnen. 
Die Visitationen der conscribirten Jünglinge liefern all- 
jährlich den Beweis, daß die Krätze außerordentlich unter dem 
Landvolke verbreitet ist, und daß von den damit Behafteten 
nichts geschieht, um sich von diesem Uebel zu befreien, während 
wenige Tage hiezu hinreichen würden.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.