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schaftlichem Selbstbetriebe (8 18 Ziff. 4) und Handel und Ge-
werbe (8 21 Ziff. 6) nach dreijährigem Durchschnitte anzu-
setzen. Wenn die Quellen schwankender Einkünfte (bzw. Er-
träge) noch nicht für die volle maßgebende Zeit bestehen, so
ist das Einkommen nach den Ergebnissen seit der Zeit ihres
Bestehens, falls aber auch diese keinen Anhalt bieten, nach
dem Stande zur Zeit der Einschätzung zu veranschlagen. Als
Zeitpunkt der Einschätzung gilt die Zeit der Aufstellung der
Hauslisten. Treten jedoch in der Zeit von der Aufstellung der
Hauslisten bis zum Abschlusse des Katasters Veränderungen
in den Einkommensquellen oder in der Höhe feststehender Be-
züge ein, so sind solche bei der Feststellung des steuerpflich-
tigen Einkommens noch'zu berücksichtigen (8 16 Abs. 3).
Die Frage ist nun: Wie sind die hier aufgeführten Be-
stimmungen in ihren Konsequenzen zu beurteilen?
Da sei zunächst bemerkt, daß in Preußen die entsprechen-
den Bestimmungen mit den sächsischen vielfach übereinstim-
men, und daß hiernach die von Fuisting nach dieser Richtung
an dem preußischen Einkommensteuergesetze geübte Kritik!)
zum großen Teile auch für Sachsen gilt.
In Übereinstimmung mit Fuisting läßt sich schon gegen
die Unterscheidung zwischen „feststehenden“ und „schwan-
kenden Einnahmen“ einwenden, daß sie unsicher und viel-
fach willkürlich ist. Denn was sind feststehende und was
schwankende Einnahmen, und wo ist die Grenze zwischen bei-
den zu ziehen? Sind — um hier nur ein Beispiel anzuführen —
die Zinsen der preußischen konsolidierten Staatsanleihe als fest-
stehende oder schwankende Einkünfte in der Hand des Empfän-
gers anzusehen? Die Rechtsprechung in Sachsen freilich hat
sich bezüglich dieser Frage auf den Standpunkt gestellt, daß
denselben die Eigenschaft feststehender Bezüge abzusprechen
sei, da der Zinsfuß durch Konvertierung herabgesetzt werden
könne.?2) Immerhin ist dieses Urteil sehr zweifelhaft. Wenn
aber bei den Steuerbehörden selbst über solche Unterscheidung
von Einnahmen große Rechtsunsicherheit herrscht, so ist es
leicht begreiflich, daß die Steuerpflichtigen erst recht über
diesen Punkt im Unklaren sein müssen. Schon aus (diesem
Grunde scheint es wünschenswert, hier Wandel zu schaffen.
Aber auch das Verfahren, daß statt der Berechnung nach
einem festen, in der Vergangenheit liegenden Maßstabe eine
—
1) Vgl. Fuistings Aufsätze über die Reformbedürftigkeit des preußi-
schen Einkommensteuergesetzes in der Deutschen Juristen-Zeitung No. 10,
12, 16, 17 und 18 des Jahrg. 1903; derselbe, Die Einkommensbesteuerung
a aft, 1903, S. 57; ferner seine „Grundzüge der Steuerlehre“, 1902,
2) Entscheidung des Finanzministeriums vom 21. Septbr. 1898 (siehe
Mitt. V S. 373).