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über 10000 M. mit nur ca. 1% ihres Einkommens mit Abgaben
jener Art belastet sind.!) Hiernach werden also die ärmeren
Leute vier bis fünfmal so hoch besteuert als die reichen, und
somit bewirken jene Abgaben statt gerechtere Progression eine
umgekehrte Progression oder eine Regression. Die hierin
liegende ungerechte Prägravation der Dürftigen und Armen
muß sich regelmäßig um so fühlbarer machen, je stärker die
zu unterhaltende Familie bei kleinen Einkünften ist. Daher
ist es ein Gebot der Gerechtigkeit und hiermit eine unantast-
bare Pflicht des Staates, der Tendenz der durch Abgaben jener
Art sich ergebenden Prägravation der wenig bemittelten
Klassen durch tunlichste Verschonung mit direkten Steuern
entgegenzuarbeiten!
Aber nicht genug hiermit! Gerade in Sachsen findet man
im Vergleich zu anderen deutschen Staaten steuerliche Ver-
hältnisse vor, die für die unteren Klassen besonders ungünstig
sind. Einmal hat man hier noch eine aus alter Zeit stammende
Staatsfleischsteuer, die heute als solche außer in Baden,
wo sie sich aber nur auf Rindvieh erstreckt, in keinem andern
deutschen Staate existiert.2) Durch diese Verbrauchsabgabe,
die immerhin pro Kopf der Bevölkerung ca. 1,35—1,40 M.>)
beträgt, werden natürlich die ärmeren Leute regelmäßig auch
härter getroffen als die reicheren. Sodann und namentlich
kommt hinzu, daß in Sachsen die Gemeinden infolge der ge-
ringen Ausbildung der direkten Ertragssteuern wie z. B. in
Preußen ihren Bedarf zum bei weitem größten Teile durch
ı) Nach Neumanns Berechnungen (Die persönlichen Steuern vom Ein-
kommen S. 50) werden die verschiedenen Einkommensklassen wie folgt mit
indirekten Reichsabgaben belastet:
I II IlluIV V I—V
gut Nasen, une nun um Neusmme, um Nast
an Salz- u. anGe- anTabaku. an Brot- u.
Zuckersteuer tränkest. Petroleumst. Mehlst. 7Usammen
über 10000 M.: 0,13 % 0,65 % 0,19 % 0,12 % 1,09 %
4000—10000 M.: 0,27% 0,55 % 0,39 % 0,31% 1,52 %
2000— 4000 M.: 0,39 % 0,49 % 0,37 % 0,39 % 1,64 %
1200— 2000 M.: 0,43% 087% 040% 095% 265%
800— 1200 M.: 0,58% 1,23 % 0,50 % 1,29 % 3,60 %
unter 800 M.: 0,73 % 0,60 % 0,40 % 2,70 % 4,43 %
2) In Sachsen wird nicht nur das ZRindfleischh sondern auch das
Schweinefleisch vom Staat besteuert.
%) In Sachsen sind z. B. im Jahre 1900 erhoben worden:
1. 5229750 M. an Schlachtsteuer
2. 364366 M. an Übergangsabgabe von vereinsländ. Fleischwerk
3. 190673 M. an Verbrauchsabgabe von ausländ. Fleischwerk
Summa 5784789 M.
Die berechnete mittlere Jahresbevölkerung Sachsens betrug für das
Jahr 1900: 4167 500. (Vgl. Statist. Jahrb. für das Königreich Sachsen, 1903,
S. 63.) Sonach kommt auf den Kopf der Bevölkerung ca. 1,39 M. Fleisch-
steuer.