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betrag von 1 M. pro’ Jahr zu entrichten haben, so fielen also
— da ja zweifellos nicht anzunehmen ist, daß die höheren
Klassen pro Kopf mehr Aufwand verursachen als die untersten
— innerhalb der untersten Steuerklasse auf je 100 M. Steuer-
reinertrag ca. 70 M. Kosten, was doch sicherlich als ein ganz
bedenkliches Mißverhältnis erscheinen muß. Wenn man erwägt,
daß das nur die direkt zutage tretenden Kosten sind, neben denen,
wie später gezeigt werden soll, noch andere erheblich ins Ge-
wicht fallen, so wird man kaum zu weit gehen, wenn man sagt,
daß der Staat bei der untersten Steuerklasse mehr Kosten hat
als er an Steuern in dieser Klasse einnimmt.
In der Steuerklasse 1 (Einkommen von 500—600 M.) be-
trägt der pro Jahr zu entrichtende Steuersatz 2 M., in der
Steuerklasse 2: 3 M. und in der Steuerklasse 3: 4 M. Hier-
nach fielen also im Jahre 1900 innerhalb der Steuerklasse 1
auf je 100 M. Steuerreinertrag ca. 35 M., innerhalb der Steuer-
klasse 2: ca. 231/, M. und innerhalb der Steuerklasse 3:
ca. 171/, M. Kosten.
Die Zahl der Zensiten in den Steuerklassen la bis mit 3
zusammen (Einkommen von 400—800 M.) betrug im Jahre
1900: 783 618, das Steuersoll 1698454 M., und die Kosten be-
rechneten sich auf 548938 M. Hiernach kamen innerhalb dieser
4 Klassen auf je 100 M. Steuerreinertrag ca. 321/, M. Kosten,
was doch sicherlich ein arges Mißverhältnis ist, das in voller
Schärfe aber erst dann hervortritt, wenn man jenen aus so
niedrig normierter Steuerpflicht entstehenden indirekten Scha-
den noch hinzurechnet. Dahin gehört erstens manche Ver-
bitterung und Mißstimmung unter der Bevölkerung.
Die 4 untersten Steuerstufen mit Einkommen von über
400—800 M. umfassen eine sehr große Zahl kleiner Gewerbe-
treibender und Landwirte, deren Einkünfte für jedes Jahr in-
folge mangelnder ausreichender Unterlagen durch Schätzung
festgestellt werden müssen. Dies ist aber nicht nur für jene
Steuerpflichtigen, sondern auch für die Veranlagungsbehörden
eine überaus schwierige und heikle Aufgabe, wenn sie nicht
mit ihrem Gewissen in Konflikt kommen wollen. Die auf
Schätzung beruhende Veranlagung der unteren Klassen muß
mit Notwendigkeit eine große Unzuverlässigkeit der Ein-
schätzungsergebnisse zur Folge haben, da es unmöglich ist,
die kleinen Spielräume von nur 100 M. innerhalb der untersten
Steuerklassen bei der Schätzung mit ausreichender Sicherheit
einzuhalten. Diese Unsicherheit der Veranlagungsergebnisse
erhält aber gerade in Sachsen noch dadurch einen mächtigen
Stützpunkt, daß einmal rund die Hälfte aller Zensiten!) den
. ,.» Im Jahre 1900 betrug in Sachsen die Zahl aller (physischen und
juristischen) Zensiten: 1557 420, von denen allein 783 618 auf die untersten
Klassen mit einem Einkommen von über 400 bis 800 M. entfielen.