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schaftliche Betriebskapital der Pächter, nicht aber auch das der
Selbstbewirtschafter der Ergänzungssteuer zu unterwerfen sei.
So drang denn auch dieser Beschluß der I. Kammer durch.!)
Die Vereinigungsvorschläge fanden im Plenum der I. Kam-
mer einstimmige und in der II. Kammer mit 5l gegen 27 Stim-
men Annahme.
So ist in Sachsen aus heißem Parteikampfe heraus ein
Steuerreformwerk hervorgegangen, das dem Anscheine nach
dem Gebote der Höherbelastung fundierter Bezüge auf zwei
ganz verschiedenen Wegen gerecht zu werden versucht: ein-
mal durch die „Grundsteuer“ auf das unbewegliche und
sodann durch eine persönliche Vermögenssteuer auf das
bewegliche Vermögen. In Wahrheit aber scheint es sehr zweifel-
haft, ob die sächsische Grundsteuer den beabsichtigten Zweck
erfüllt. Denn man muß sich vergegenwärtigen, daß diese an-
tiquierte Objektsteuer zum großen Teile in der Art reallast-
artigen Charakter gewonnen hat, daß sie vielfach kaum noch
als Steuer empfunden werden möchte und daher in der Wissen-
schaft wohl kaum noch den Namen „Grundsteuer“ verdient.
Trotz alledem wird man nicht bestreiten können, daß die
sächsische Steuerreform von 1902 einen großen Fortschritt.auf
dem Gebiete der Staatsbesteuerung bedeutet. Es ist hier wie-
der die Tendenz zum Durchbruch gekommen, daß in den Kultur-
ländern die Objektsteuern immer mehr von den persönlichen
Steuern verdrängt werden.
C, Das sächsische Ergänzungssteuergesetz vom
2. Juli 1902,
I. Allgemeine Vorzüge und Mängel der persönlichen Ver-
mögenssteuern.
Preußen war (durch die große Staatssteuerreform der
1890er Jahre — die man mit Recht als die Miquelsche be-
zeichnen kann — gleichsam mit einem Schlage an die Spitze
einer guten Staatsbesteuerung unter den deutschen Staaten
getreten, nachdem es vorher z. B. dem Königreich Sachsen
1) Schon dem folgenden Landtag (1903/04) wurde von seiten der
ll. Kammer der Antrag auf Aufhebung des $ 19 des Ergänzungssteuer-
gesetzes, der die Steuerfreiheit des land- und forstwirtschaftlichen Betriebs-
kapitals bei Eigenwirtschaft vorsieht, gestellt. In der II. Kammer wurde
dieser Antrag gegen zwei Stimmen angenommen, in der I. Kammer aber
{in der Sitzung vom 9. Mai 1904) einstimmig abgelehnt. Auch das Ver-
einigungsverfahren beider Kammern ergab ein negatives Resultat.