225 —
ministerium ermächtigt, zeitweilige Ermäßigungen und Be-
freiungen wegen eines außergewöhnlichen Notstandes und
wegen individueller Verhältnisse zu bewilligen ($ 3).
V. Die Veranlagung der Ergänzungssteuer erfolgt nach
dem Beispiele Preußens, Braunschweigs und Hessens im allge-
meinen durch die Einschätzungskommissionen für dieEinkommen-
steuer.!) In Orten bis zu 40000 Einwohnern findet jedoch
die Veranlagung auf Antrag?) der Steuerpflichtigen oder, falls
dies von der Bezirkssteuereinnahme aus Zweckmäßigkeitsgrün-
den bestimmt wird, durch besondere, durch den Bezirksaus-
schuß gewählte Ergänzungssteuerkommissionen statt, sofern
die Beitragspflichtigen erklären®), mindestens 40 M. Ergän-
zungssteuer entrichten zu wollen (8 22).
„Die Bedenken“ — so heißt es in der Regierungsvorlage von 1901
(unter V zu d) — „gegen die Verwendung der Einkommensteuer-Ein-
schätzungskommissionen zur Veranlagung der Vermögenssteuer entspringen
der Besorgnis vor Indiskretionen der Kommissionsmitglieder, die nament-
lich auf dem Gebiete der Vermögenssteuer zu den größten Unzuträglich-
keiten führen müßten. Leider läßt sich dieser Besorgnis ein gewisses Maß
von Berechtigung nicht absprechen. Während in volkreichen Gemeinden,
namentlich in den drei größten Städten und wohl auch in den beiden
nächstgrößten Städten, welche je über 40 000 Einwohner zählen, die Ver-
anlagung der Vermögenssteuer durch die Einschätzungskommission für die
Einkommensteuer gewiß unbedenklich erscheint, weil hier das Interesse
der bei der Einschätzung Mitwirkenden an den Verhältnissen der Ein-
schätzenden sich sehr wesentlich abschwächt, so ist nicht zu verkennen,
daß an kleineren Orten und besonders da, wo eine stärkere Konzentration
stattfindet und jeder an den Verhältnissen des anderen ein lebhaftes Inter-
esse nimmt, die Indiskretion der Einschätzungskommissionsmitglieder er-
hebliche neue Nahrung finden würde, wenn den Einkommensteuer-Ein-
schätzungskommissionen auch hier die Veranlagung zur Vermögenssteuer
ausnahnıslos überlassen werden sollte. Wirken solche Indiskretionen schon
bei der Einschätzung zur Einkommensteuer unangenehm und nachteilig, so
1) Die Vereinigung beider Veranlagungen in der Hand der gleichen
Organe wurde in der preußischen Regierungsvorlage wie folgt begründet:
„Die Feststellung der Personal- sowie der Besitz- und Vermögensverhält-
nisse, welche für die Veranlagung der Ergänzungssteuer erheblich sind, bildet
zum großen Teil bereits den Gegenstand der Ermittelung im Einkommen-
steuer-Veranlagungsverfahren. Durch eine organische Verbindung der be-
züglichen Geschäfte für beide Steuern wird daher nicht nur eine namhafte
Ersparnis an Arbeitskräften und Kosten erzielt, sondern auch die Möglich-
keit sichergestellt, daß die zum Zwecke der Einkommensteuerveranlagung
ermittelten Tatsachen zugleich für die Ergünzungssteuer verwertet werden
und umgekehrt. Auch für den Steuerpflichtigen würde es lästiger sein,
wenn zum Zwecke der Personalsteuerveranlagung alljährlich ein doppeltes
Verfahren vor verschiedenen Behörden durchlaufen werden müßte Ab-
gesehen von den unausbleiblichen Zweifeln und Irrtümern über die Zu-
ständigkeitsverhältnisse fällt hierbei namentlich ins Gewicht, daß mit der
Gründung besonderer Organe für die Ergänzungssteuer der Kreis der
Personen erweitert werden würde, welche gelegentlich der Steuerveranlagung
in die Privatverhältnisse der Pflichtigen Einblick erhalten“ (vgl. Be-
gründung zu $ 20 der Regierungsvorlage von 1901).
2) Bezüglich dieses Antrags vgl. $ 13 d. Ausf.-V.
3) Der Steuerpflichtige ist an diese Erklärung gebunden und daher
im allgemeinen mit wenigstens 40 M. zu veranlagen ($ 8 Abs. 5 d. Instr.).
Hoffmann, Staatsstenern. 15