Full text: Die direkten Staatssteuern im Königreich Sachsen mit besonderer Berücksichtigung der allgemeinen Einkommensteuer.

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politik ausgearbeiteten Gutachten von 18741) prophezeit wor- 
den war, ist nun in Deutschland nahezu vollendet. Nachdem in 
neuester Zeit auch Württemberg sich diesem Zuge angeschlossen 
hat, so fehlen in demselben von allen 25 Staaten des Reiches 
nur noch die beiden Mecklenburg im Norden und Bayern im 
Süden. Aber auch dort wird die allgemeine Einkommensteuer 
früher oder später ihren Einzug halten. 
Mit der Einführung der Einkommensteuer war aber die 
Steuerreform von 1878 noch nicht zu einem befriedigenden Ab- 
schluß gelangt. Denn jene so wichtige Forderung stärkerer 
Belastung fundierter Einkünfte gegenüber unfundierten im Sinne 
„gerechten Opferausgleichs“ war, wie man auch damals ein- 
sah, nicht zu ihrem Rechte gekommen. Aber erst unter der 
Flagge steigender Steuerlasten kam die Steuerreformbewegung 
wieder in Fluß und nahm jene sozialpolitische Forderung eine 
lebendige Gestalt an. Nach dem Vorgange Preußens wurde eine 
neue direkte Staatssteuer, die persönliche Vermögenssteuer 
— Ergänzungssteuer genannt — eingeführt (Gesetz vom 2. Juli 
1902), nachdem der in großem Stile ausgearbeitete Reformplan 
von 1897/98 gescheitert war. Während aber Preußen, Hessen 
und Braunschweig eine allgemeine Vermögenssteuer haben, 
d. h. grundsätzlich alle Arten des Vermögens — von wenigen 
Ausnahmen wie Hausgerät, Kleider usw. abgesehen — belasten, 
besteht in Sachsen nur eine partielle. Da man hier mit aller 
Energie an der Grundsteuer als Staatssteuer festhielt, so sah 
man unter dem Drucke der Verhältnisse und, um die Reform 
nicht scheitern zu lassen, keinen anderen Ausweg, als neben 
der bestehenden Grundsteuer eine Vermögenssteuer auf das 
bewegliche, genauer auf das von dieser Steuer nicht getroffene 
Vermögen zu legen. 
Nach der Absicht des Gesetzgebers sollte die Grundsteuer 
dem gleichen Zwecke dienen wie die Ergänzungssteuer: der 
Höherbelastung fundierter Bezüge. Dem Anscheine nach wird 
dieses Ziel erreicht, in Wahrheit aber dürfte nur die Er- 
gänzungssteuer ihre Mission erfüllen. Denn ob die Idee der 
Höherbelastung fundierter Einkünfte mittelst jener Grundsteuer 
zur praktischen Durchführung gelangt, scheint, wie schon 
hervorgehoben, sehr fraglich, da die Grundsteuer in Sachsen 
zum größten Teile derart einen reallastartigen Charakter an- 
genommen hat, daß sie häufig kaum noch als Steuer empfunden 
werden möchte und in der Wissenschaft wohl kaum noch den 
Namen einer solchen Steuer verdient. Dieses Moment scheint 
man bei der letzten Steuerreform in Sachsen nicht genug ge- 
würdigt zu haben. Aber abgesehen von alledem: die Verbindung 
einer antiquierten, auf längst vergangene Zeiten und Verhält- 
ı) Vgl. Fr. J. Neumann, Progressive Einkommensteuer (Schriften des 
Vereins für Sozialpolitik) 1874.
	        
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