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maßen sorgen will, einen großen Teil davon zurückzulegen genötigt ist:
Aus dieser Erkenntnis sind die vielfachen Versuche hervorgegangen, das so-
sogenannte ‚fundierte‘ Einkommen nach einem höheren Satze heranzuziehen,
als das unfundierte. Alle diese Versuche sind aber — soweit sie sich
im Rahmen der Einkommensteuer bewegten — unfruchtbar geblieben;
und sie mußten fast mit Notwendigkeit daran scheitern, da die Vermählung
zwischen Kapital und Arbeitskraft selbst innerhalb eines und desselben
Berufskreises viel zu mannigfaltig ist, um ihr mit derartigen Unterschei-
dungen beizukommen. Es würde beispielsweise völlig undurchführbar sein,
die Klassifikation in der Einkommensteuer so weit zu treiben, daß man
zwei Kaufleute von gleichem Einkommen mit zweierlei Sätzen besteuerte;
und doch wie verschieden ist in bezug auf das Verhältnis zwischen Kapital
und Arbeitskraft ein Detailgeschäft mit gleichmäßig gangbaren Artikeln bei
fester Kundschaft von manchem Kommissionsgeschäft, welches fast aus-
schließlich auf der Intelligenz und Tatkraft seines Inhabers ruht! Ganz
anders gestaltet sich die Sache, sobald man das Vermögen als einen be-
sonderen Faktor der Besteuerung neben dem Einkommen gelten läßt.
Eine derartig kombinierte Steuer schließt sich dem so mannigfaltigen und
wechselnden Verhältnisse zwischen Kapital und Arbeitskraft ohne jede
weitere Berechnung vollkommen natürlich und von selbst an.“
„Von seiten der übrigen Deputationsmitglieder“ — so heißt es in jenem
Berichte weiter — „wurde bereitwillig anerkannt, daß diese Darlegungen
manches Beherzigenswerte enthielten, und daB der Gedanke, eine Vermögens-
steuer mit der Einkommensteuer zu verbinden, wohl nähere Erwägung ver-
diene. Mit Entschiedenheit erklärten sie sich aber gegen jeden Versuch,
diesem Gedanken schon jetzt eine praktische Folge zu geben. Derselbe sei
noch keineswegs für die Ausführung reif, insbesondere bedürfe die Frage,
in welchem Verhältnisse die beiden Steuern überhaupt und insbesondere in
bezug auf Progression zueinander stehen sollten, einer genauen Erörterung,
auch sei die Schwierigkeit der doppelten Abschätzung, die voraussichtlich
auch eine doppelte Deklaration erheische, nicht zu unterschätzen. Wolle
man das Schicksal der Einkommensteuer, bezüglich deren nach mehrjährigen
Beratungen jetzt endlich eine definitive Vereinigung zu hoffen sei, mit der
für viele noch fremden Idee der Vermögenssteuer verknüpfen, so werde da-
durch das ganze Reformwerk gefährdet. Weit zweckmäßiger sei es, einen
Teil der bestehenden direkten Steuern einstweilen noch beizubehalten und
die Frage, ob man diesen Rest vielleicht in eine Vermögenssteuer umwan-
deln könne, der Zukunft zu überlassen.“ —
Bei solchen Meinungsverschiedenheiten unter den Depu-
tationsmitgliedern und, „um den gegenwärtigen Landtag nicht
vorübergehen zu lassen, ohne wenigstens einen wesentlichen
Vorschritt in der Steuerreform vorzunehmen“, schlug der Fi-
nanzminister selbst vor, „auf dem gegenwärtigen Landtage
von einer durchgreifenden Umgestaltung der bestehenden
direkten Steuern abzusehen, dagegen neben einem Teile der-
selben und zur Deckung etwaiger Mehrbedürfnisse eine Ein-
kommensteuer einzuführen; welcher Teil der gegenwärtigen
direkten Steuern undi ob ohne oder mit welchen Modi-
fikationen derselbe beizubehalten sei, dem nächsten Landtage
zur Bestimmung zu überlassen.“
‚ Dieser Vorschlag wurde im allgemeinen bei der Depu-
tation sehr beifällig aufgenommen. Sie arbeitete nun selbst
1872) Einkommensteuergesetzentwurf aus (Bericht vom 30. April
Mit Dekret vom 8. Februar 1874 legte die Regierung den