Aus den Jahren 1850 bis 1866 105
Bundesversammlung sprach sich am 26. Juli 1859 für den hessischen An-
trag aus und beantragte, der Bundestag möge Hessen auffordern, den
Verfassungsentwurf von 1852 für endgültig zu erklären. Hierdurch wurde
die in der allgemeinen Depression des Jahres 1852 kaum beachtete Frage,
inwieweit das Recht, welches der Bund durch seinen Beschluß vom
27. März 1852 in Anspruch nahm, eine Gefahr für alle deutschen Kon-
stitutionen bedeute, zur Diskussion gestellt, und die kurhessische Frage
gewann unter diesem Gesichtspunkte eine neue Bedeutung, welche ihre leb-
hafte Erörterung in der Presse, in den Verhandlungen der Regierungen
und in den Landtagen herbeiführte. Im November 1859 trat die preußische
Regierung im Bundestage für das verletzte Recht Kurhessens ein und ver-
langte die Wiederherstellung der Verfassung von 1831 unter Beseitigung
ihrer dem Bundesrechte widersprechenden Bestimmungen, während die Mehr-
heit des Bundestags unter Oesterreichs Führung den reaktionären Prinzipien
von 1852 getreu blieb. In seiner Thronrede vom 12. Januar 1860 sprach
der Prinz-Regent aufs neue mit größter Entschiedenheit aus, daß das
Zurückgehen auf die Verfassung von 1831 der einzige Weg zur Wieder-
herstellung gesetzlicher Zustände in Kurhessen sei. Derselben Ueberzeugung
gab die preußische Regierung am 17. März 1860 in einer Erklärung über
ihre bevorstehende Abstimmung im Bundestage Ausdruck. Indessen ent-
schied die Bundesversammlung am 24. März 1860 nach dem Antrage ihres
Ausschusses. An diesem Beschlusse hatte auch der bayrische Bundestags-
gesandte von der Pfordten teilgenommen. Preußen protestierte gegen den
Beschluß und verwahrte sich gegen dessen Folgen. Das preußische Ab-
geordnetenhaus sprach am 20. April mit großer Mehrheit seine Zu-
stimmung aus.
In Bayern wurde die kurhessische Frage im März 1861 in der
Kammer der Abgeordneten verhandelt. Auf Antrag des Dr. Völk beschloß
diese Kammer, „gegen den Bundesbeschluß vom 27. März 1852 und die
demselben zugrunde liegenden, dem bayrischen Verfassungsrechte wider-
sprechenden Prinzipien feierlichst Verwahrung einzulegen“ und dem Könige
die Bitte vorzutragen, daß das Staatsministerium angewiesen werde, „zur
Herstellung rechtlich geordneter Verfassungszustände in Kurhessen nach
Kräften mitzuwirken“.
Der erste dieser Beschlüsse wurde der Kammer der Reichsräte zur
Kenntnisnahme, der zweite zur Beratung mitgeteilt. Der Referent der
Kammer der Reichsräte, Reichsrat von Bayer, bestritt die Kompetenz des
bayrischen Landtags, sich mit der Angelegenheit zu beschäftigen, weil eine
solche Kompetenz nur dann begründet sei, „wenn sich hierfür eine Vor-
schrift der Verfassungsurkunde anführen lasse“ und weil nach allgemeinen
Grundsätzen des deutschen Staatsrechts die Entscheidung in Angelegen-