Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Erster Band. (1)

424 Das bayrische Ministerium (1867 bis 1870) 
Die Grundsätze nun, nach deren Darlegung Seine Majestät der König 
mich vor drei Jahren an die Spitze der Geschäfte gestellt hat, sind die- 
selben, welche die jüngste Thronrede fest und bestimmt ausspricht. Zu 
verteidigen brauche ich dieselben nicht; der Entwurf stimmt diesen Grund- 
sätzen mit so viel Wärme zu, daß nichts zu wünschen übrigbleibt. 
Meine Herren! Ich kann den leitenden Gedanken meiner Politik in 
zwei Sätze zusammenfassen. Es ist die Erhaltung des Zusammenhangs 
der süddeutschen Staaten mit dem Norden und die Aufrechterhaltung der 
Selbständigkeit Bayerns. 
Wenn Sie die Verhandlungen der bayrischen Kammern seit dem 
Jahre 1848 durchgehen, so werden Sie nicht leicht eine Diskussion 
allgemein politischen Inhalts sinden, in welcher nicht der nationale Gedanke 
zum Ausdruck gekommen wäre. Dieser Gedanke des Zusammenhangs der 
deutschen Stämme, die Wiederherstellung der nationalen Verbindung hat 
durch die Ereignisse des Jahres 1866 an Bedeutung nicht verloren. 
Gerade das Gefahrvolle der Lage, in welche die Mittelstaaten durch 
jene Ereignisse — die Zerstörung des Deutschen Bundes — versetzt 
waren, hat den Ruf nach Sicherstellung dieser Lage vermehrt. Aus- 
gehend von dem Grundsatze, daß die Mittelstaaten nicht ihrer Macht, 
sondern ihrem vertragsmäßigen und historischen Rechte ihre Stellung 
verdanken, mußte die Staatsregierung darauf Bedacht nehmen, den Mittel- 
staaten sobald als möglich den Boden vertragsmäßiger Rechte wieder- 
zugewinnen. Wir sind einmal die Schwächeren in Deutschland, und 
die Geschichte lehrt, daß der Schwächere, wenn er in ungünstiger Lage 
ist, durch Abwarten nicht gewinnt, sondern immer nur verliert. Aus 
diesem Grunde habe ich stets von neuem gestrebt, die Bestimmungen des 
Nikolsburger Präliminarvertrags, der zurzeit die Grundlage der deutschen 
Politik bildet, zum Vollzug zu bringen, und wer auch zur Leitung der 
auswärtigen Angelegenheiten in Bayern berufen sein wird, der wird die 
Erfahrung machen, daß, je später die nationale Verbindung zwischen dem 
Norden und dem Süden Deutschlands auf vertragsmäßigem Wege ge- 
regelt wird, um so größer die Opfer sein werden, welche Bayern zu bringen 
haben wird. 
Die praktische Anwendung meiner soeben entwickelten Grundsätze er- 
gab sich sofort bei Erneuerung des Zollvereins. Wenn wir damals aus 
der wirtschaftlichen Verbindung mit dem Norden ausgetreten wären, wenn 
wir damit eine gesonderte Stellung eingenommen hätten, die nicht nur 
in bezug auf die wirtschaftlichen Interessen, sondern auch in bezug auf 
unfre ganze politische Stellung eine isolierte geworden wäre, so unterliegt 
es keinem Zweifel, daß wir diese Stellung in kurzer Zeit und mit weit 
größeren Opfern an unfrer Selbständigkeit wieder hätten aufgeben müssen.
	        
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