Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

94 Im Reichstage (1870 bis 1874) 
Kostüm. Die Japaner sind zahlreich, fünf Botschafter und die entsprechende 
Suite. Sie sind alle klein. Der Perser ist ein feiner Mann. 
Die Kaiserin seufzt nach Frieden und Versöhnung. Sie sagte es 
mir allein und wiederholte ihre Mahnung, als ich ihr mit Simson auf- 
wartete. Die Kronprinzessin drückte bei einer Soiree in flüchtigen Worten 
ihr Mißfallen aus über die kirchenfeindliche Politik der Regierung. Wir 
wurden aber allzu schnell gestört, so daß sie ihren Satz kaum aussprechen 
und ich ihn nicht beantworten konnte. Gestern kam ich beim Diner neben 
sie zu sitzen, und da fing sie wieder davon an. Sie meinte, man solle nur 
die Volksbildung wirken lassen, das werde die Leute von selbst unabhängig 
von der Hierarchie machen. Ich bestritt das auf das entschiedenste. „Ich 
verkenne,“ sagte ich ihr, „den Wert der Volksbildung keineswegs, aber 
die Partei, die wir bekämpfen, würde jede Volksbildung hemmen, wenn 
sie nicht in ihre Schranken zurückgewiesen wird.“ Die Kronprinzessin 
sagte dann: „Ich rechne auf die Intelligenz des Volks, das ist eine große 
Macht.“ Ich darauf: „Eine viel größere Macht ist die menschliche 
Dummheit, die müssen wir vor allem in Rechnung bringen.“ So zog 
sich das Gespräch die ganze Tafel über hin. Sie erwähnte auch des 
Hasses, mit dem sie von den orthodoxen Protestanten verfolgt wird. Was 
sie besonders verletzt hat, war das Wort eines Pfarrers, der, als er den 
Tod des kleinen Prinzen, des Sohns der Kronprinzessin, erfuhr, äußerte, 
er hoffe, diese Prüfung sei ihr vom Herrn geschickt, um dieses harte Herz 
zu demütigen. 
Berlin, 30. März 1873. 
Gestern machte ich einen Besuch bei Präsident Friedberg. In dem 
Gespräche über verschiedene Dinge kamen wir auch auf die bayrische Politik, 
und ich war erstaunt, bei Friedberg die Meinung zu finden, daß es für 
das Gedeihen des Reichs von Nutzen gewesen wäre, wenn Gasser das 
Ministerium zustande gebracht hätte. „Ich würde mich gefreut haben, 
wenn Gasser in den Bundesrat gekommen wäre,“ sagte er, „wir hätten 
ihn in drei Monaten so weit gebracht, daß er entweder den Austritt 
Bayerns aus dem Bunde oder seine Uebereinstimmung mit uns hätte er- 
klären müssen. Jetzt sind wir immer bemüht, die Stellung der bayrischen 
Minister nicht zu gefährden, und kommen nicht einen Schritt weiter. Das 
wissen auch die bayrischen Minister, daß sie nur hier ihre Stütze haben 
und daß sie verloren sind, wenn wir sie nicht halten." Friedberg meint, 
daß der Durchgang durch das Ministerium Gasser gar nicht zu ver- 
meiden sei. 
Ich fragte ihn, woher die Verstimmung des preußischen Kriegsministers 
gegen Oberst Fries komme. Er wußte mir aber nichts Positives anzu- 
geben. Bezüglich der Kirchengesetze ist er guten Muts. Die Befürchtung,
	        
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