Im Reichstage (1870 bis 1874) 107
Ueber Arnim erzählte er in ziemlich bitterer Weise alles, was ihm
auf dem Herzen lag. Es scheint, daß Arnim sich als der Mann gezeigt
hat, als den ich ihn immer angesehen habe, eitel, selbstsüchtig, falsch, aber
äußerst gescheit. Arnim hat bereits für Konstantinopel angenommen, und
das ist kein Hindernis. Wenn der türkische Botschafter ernannt werden
wird, wird Arnim von Paris abgerufen. Bismarck will aber, um den
Reichstag nicht zu indisponieren, jetzt seine Ernennung nicht vornehmen,
sondern erst nach Schluß der Session. Ich fragte ihn, ob ich an den
König von Bayern schreiben müsse, was er sehr natürlich fand. Wir
sprachen über den Inhalt des Schreibens. Eine Genehmigung ist nicht
nötig, aber es ist gut, eine derartige Wendung zu gebrauchen, daß der
König den Schein der Zustimmung hat.
Urlaub werde ohne Bedenken auf drei Monate und mehr erteilt.
Die Zeit der Geschäftsstille sei, meint Bismarck, wenn die Seebäder an-
fingen, also Juli, August, September. Ueber die politische Seite der
Frage sprachen wir nur wenig, weil dazu immer noch Zeit ist. Bismarck
sagte nur: „Wir wollen den Frieden erhalten, aber wenn die Franzosen
so fortrüsten, daß sie in fünf Jahren fertig und entschlossen sind, dann
loszuschlagen, dann fangen wir den Krieg in drei Jahren an. Das habe
er ihnen offen sagen lassen. Daß Arnim Thiers gestürzt hat oder ihn
nicht gehalten hat, während er es tun sollte, macht ihm Bismarck zum
großen Vorwurf. Frankreich werde durch Konsolidierung allianzfähiger,
und Thiers war dies weniger, also war sein Verbleiben für uns nützlich.
Berlin, 22. Februar 1874.
Gestern Abend kam ein Telegramm von Eisenhart: „Das von mir
heute Nachmittag vorgelegte Gesuch fand günstigste Aufnahme.“ Damit ist
diese Seite der Frage zur Zufriedenheit erledigt. Ich bin sehr froh dar-
über, da es mir in dieser Weise die Rückkehr erleichtert, wenn ich wieder
in Bayern nützlich sein kann und will.
Ich war Abends in der Soiree bei Bismarck, wo ich ihm und Bülow
das Telegramm mitteilte. Auch Viktor war sehr erfreut und erzählte mir,
daß Frankenberg ihn gefragt habe: „Der Botschafterposten in Paris soll
ja besetzt sein?“", worauf Viktor mit: „Ja, ich habe es auch gehört,“ ge-
antwortet hat. Frankenberg und Maltzahn, die sich beide als die unent-
behrlichen Freunde Bismarcks für Botschafter= oder Gesandtschaftsposten
berufen fühlen, werden mir gram werden, wenn sie es auch nicht sagen.
Mit dem Dean of Westminster (Stanley), der von Petersburg
kommt, wird großes Wesen gemacht. Gestern Abend war er bei Bismarck
mit seiner Frau, bis wir ihn mit Zigarrendampf vom Soupertische weg-
räucherten. Er ist ein feiner Mann, sehr einflußreich bei Hof. Er trägt