Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

116 Im Reichstage (1870 bis 1874) 
fühlbar machen würde, da er, sofort zu seinen Ungunsten benutzt, ihm 
große Hemmnisse bereiten müßte. Die Behandlung der auswärtigen Politik 
gehört doch zu den bedeutendsten Aufgaben eines Reichskanzlers, und dazu 
gehört Erfahrung und eine routinierte Sachkenntnis, welche auf der bis- 
herigen Laufbahn des Herrn von Forckenbeck nicht wohl zu erlangen war. 
Ich hoffe übrigens, daß wir bald wieder Gelegenheit finden, über 
diese und ähnliche Aufgaben der Zukunft mündlich zu verkehren, denn es 
ist mir ungemein wertvoll, Ihre Erlebnisse und Erfahrungen in bezug auf 
Personen und Verhältnisse kennen zu lernen. 
Schon zu lange habe ich Ihre Zeit in Anspruch genommen, daher 
schließe ich nun und verbleibe in aufrichtiger Verehrung 
Ihr ergebener 
Friedrich, Großherzog von Baden. 
Journal. 
Berlin, 12. April 1874. 
Heute Spaziergang mit Gelzer. Dieser war neulich beim Kaiser, 
gerade an dem Tage, wo der Kaiser mit Bismarck das Kompromiß!) ver- 
abredet hatte, und fand den Kaiser noch unter dem Eindrucke der ge- 
habten Besprechung. Der Kaiser sagte, Bismarck sei geistig so frisch wie 
immer gewesen, nur die Körperkräfte seien noch gering. Dann sprach 
Gelzer mit ihm über den Kirchenkonflikt, bei dem man — sagte Gelzer — 
bedauern könne, daß er so begonnen worden sei, den man aber nicht auf- 
geben könne, ohne ein zweites Olmütz zu haben. Damit war der Kaiser 
einverstanden. Dann sprachen sie über die Schwierigkeiten der Lage und 
von der Zweckmäßigkeit, einen Vertreter für den kranken Reichskanzler 
zu haben. Als Gelzer mich nannte, stimmte der Kaiser bei, wußte aber 
auch schon, daß ich abgelehnt habe. „Das ist seine Bescheidenheit," sagte 
er dann. Von Forckenbeck, den ihm Gelzer darauf nannte, scheint er 
nichts wissen zu wollen, denn er machte eine abwehrende Bewegung. 
Wir sprachen dann noch von Rom, Paris, Berlin u. s. w. 
Dann zur Fürstin Bismarck. Sie erzählte von Bismarcks Krankheits- 
geschichte, die sie zurückführt auf ein Unwohlsein in Petersburg, wo man 
ihm ein so scharfes Pflaster auf die Kniekehle gelegt habe, daß dadurch 
ein Blutgefäß zerstört worden sei, was jetzt den Blutumlauf störe. Ueber 
die Pläne für den Sommer ist nichts bestimmt. Er will nicht nach 
Kissingen, und die Aerzte wollen ihn dorthin schicken. 
  
1) Der entscheidende Vortrag des Reichskanzlers, auf welchen die Annahme 
des Kompromisses (Friedenspräsenz nach der Forderung der Regierung mit der Be- 
schränkung auf sieben Jahre) folgte, fand am 10. April statt.
	        
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