Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

120 Im Reichstage (1870 bis 1874) 
den Kaiser verletzen könne. Wenn ich dem König von Bayern berichten 
wollte, so sei das eine andre Sache, das könne ich sehr gut tun. Ich 
fragte ihn, wie ich mich den Bonapartisten gegenüber zu verhalten habe. 
Er sagt, nichts für sie, aber auch nichts gegen sie tun. Es sei immer die 
beste Monarchie in Frankreich in unserm Interesse, da sie im Innern 
Schwierigkeiten haben würde. In der Kirchenfrage, sagte ich, würde ich 
seine Politik vertreten, bat aber, daß man mich sofort benachrichtigen 
möchte, wenn etwa eine Wendung eintreten sollte. Bismarck sagte das zu 
und bemerkte, daß dazu keine Aussicht sei, wenn man nicht von der andern 
Seite einen Modus vivendi vorschlüge, denn zu etwas anderm könnten 
wir mit Rom doch nicht kommen. 
Schließlich empfahl ich mich, um sein Wohlwollen und seine Nachsicht 
bittend. Er sagte: „Ich brauche Ihnen nicht zu empfehlen, nicht trop de 2ele 
zu entwickeln. Sie haben genug in großen Geschäften gearbeitet. Es ist 
immer gut, sich die Sachen ruhig zu überlegen, ehe man handelt. Sie 
sind aber so schon vorsichtig.“ 
Berlin, 7. Mai 1874. 
Heute war Bleichröder bei mir. Er gab mir während zwei Stunden 
wertvolle Notizen über Paris. 
Ein gewisser Landsberg ist von ihm auf Veranlassung Bismarcks 
für das Wolffsche Telegraphenbureau gewonnen. Er weiß noch nicht, ob 
er ihn mir empfehlen kann, wird dies aber, wenn der Mann sich bewährt, 
später tun. Er will mir einen Brief an Alphonse Rothschild schicken, den 
ich diesem schicken kann, worauf Rothschild mir einen Besuch machen wird. 
Von Bismarck sagt er, daß dieser keine Rücksichten kenne und die 
Leute wie eine Zitrone auspresse. Ein gewisser Schlesinger schreibt aus 
England. Den will er instruieren, daß er auch mir schreibe. Schließlich 
sagte er, ich würde im Sommer kaum von Paris wegkommen, da ich dort 
zu viel zu tun finden würde. Der Sommer werde sehr stürmisch sein. 
Er verspricht, Berichte über die hiesigen Zustände zu geben. Den Brief 
von Peter hält er für sehr richtig.!) Die Juden sind avertiert, daß ich 
ihr Feind sei, was er bestritten hat. Ueberhaupt behauptet er, mir das 
Terrain geebnet zu haben. 
Bleichröder erwartet ohne Zweifel, daß ich einst der Nachfolger von 
Bismarck werde und will sich deshalb gut mit mir stellen. 
Berlin, 7. Mai 1874. 
Heute Abschiedsaudienz beim Kaiser. Er empfing mich in seinem 
Kabinett, lud mich ein, mich ihm gegenüber zu setzen, und war sehr freundlich. 
  
1) Siehe Seite 107.
	        
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