Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 151
Paris, 21. Februar 1875.
Bei einem Besuche, den mir Thiers heute machte, äußerte er, daß er,
an das Zustandekommen des Senatsgesetzes glaube. Nur schien er Zweifel
zu hegen, ob es möglich sein werde, die Majorität bis zuletzt zusammen-
zuhalten. Die Schwierigkeiten, meinte Thiers, werden erst nach dem
Zustandekommen der Verfassung beginnen. Man glaube sich gegenseitig
übervorteilen zu können, indem man sich vereinige. Wenn die Republik
konstituiert sei, würden die Republikaner darauf dringen, daß Aenderungen
im Verwaltungspersonal vorgenommen würden, damit ihnen nicht bei den
Wahlen durch monarchisch gesinnte Präfekten Schwierigkeiten bereitet
würden. Wer die Verwaltung in der Hand habe, der habe in Frankreich
auch die Wahlen in der Hand. Der Marschall, der von den Konservativen
an die Spitze der Regierung gestellt sei, werde von diesen und von den
Republikanern angegriffen werden und die Minister würden in die
schwierigste Lage kommen: „Ce sera lenfer.“ Das scheint alles sehr wahr-
scheinlich. Ueberhaupt ist die Bahn, die die Regierung des Marschalls
einschlägt, eine sehr gefahrvolle. Die Linke hält sich jetzt ruhig, weil ihr
daran liegt, die Rechte zu sprengen und die Tatsache der Republik herbei-
zuführen. Hat sie diese erst einmal, so wird sie sie auch ganz und mit allen
Konsequenzen haben wollen. Gibt der Marschall darin nach, so wird er
immer weiter nach links geführt werden. Gibt er nicht nach, so entstehen
Zerwürfnisse und Zustände, denen der Marschall nicht gewachsen zu
sein scheint. Die Schwierigkeit wird besonders das Ministerium treffen, das
ganz oder doch zum größten Teil aus Mitgliedern des rechten Zentrums
zusammengesetzt ist. Es wird in eine Abhängigkeit von der linken Fraktion
kommen, die seine Existenz gefährden kann.
Fürst Bismarck an den Fürsten Hohenlohe.
Berlin, 26. Februar 1875.
Bei Abgang des Kuriers erfahre ich, daß deutsche Pferdehändler
Auftrag haben, zehntausend Militärreitpferde für Frankreich ohne Preis-
beschränkung mit fünfzig Franken Provision per Stück ohne Verzug anzukaufen.
Wenn die Maßregel auch nur natürliches Ergebnis der beschlossenen
Reorganisation sein mag, so haben wir doch keinen Anlaß, eine Reorgani-
sation, die den Charakter einer Kriegsrüstung trägt, einer Rüstung, die
notorisch gegen uns gemeint ist, mit deutschen Pferden beschleunigen zu
helfen. Es scheint daher geboten, Gegenmaßregeln zu treffen. Bevor ich
die desfallsigen Anträge stelle, bitte ich um Ihren und des Herrn von Bülow
schleunigen Bericht über die Tragweite der Maßregel nach dortigem Gesichts-
punkt. Ich glaube nicht an Kriegsabsicht im nächsten Jahre, aber zehn-
tausend Reitpferde wären ein Aderlaß, den wir noch empfinden würden,