Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 153
Berlin, 25. März 1875.
Gestern längeres Gespräch mit dem Großherzog von Baden. In
bezug auf Frankreich hofft der Großherzog, daß man doch noch zu fried-
lichen Beziehungen kommen und den Krieg vermeiden werde. Ich sprach
dagegen meine Zweifel aus. Möglich sei es, aber nicht wahrscheinlich.
Dann auf die innere Lage in Deutschland übergehend, sprach er mir zuerst
unverständliche Befürchtungen aus über die Entwicklung des Reichs-
gedankens. Ich verstand nachher, daß er eine größere Einigung für not-
wendig hält und den Partikularismus fürchtet. Dieser müsse beschränkt
werden, besonders in Preußen selbst. Reichsministerium und deutsche
Armee. Ich sagte ihm, daß es ratsam sei, die deutschen Fürsten nicht zu
erschrecken und ihnen tatsächlich den Beweis zu geben, daß ihre Stellung
im Reiche gesicherter sei, als sie früher während des Bundestags gewesen.
Was die deutsche Armee betrifft, so wisse ich nicht, ob sich der Kaiser
darauf einlassen werde. Es scheint, daß der Großherzog die in national-
liberalen Kreisen auftauchende Idee teilt, daß der Kaiser um den Preis
der Assimilation der bayrischen Armee die preußische Armee zur deutschen
machen werde. Wie aber die Verträge ändern?
In bezug auf den Kirchenkonflikt sprach er sein Bedauern aus, ohne
anzugeben, wie jetzt andre Wege eingeschlagen werden könnten.
Bemerkenswert war mir, was er mir, ohne daß ich dazu Anlaß gab,
über die Gespräche mit Marquis Pepoli erzählte. Dieser teilt vollkommen
meine Ansicht, daß die Verständigung zwischen der Kurie und Italien das
Ziel einer mächtigen Partei in Italien ist und daß die Verständigung
teilweise schon besteht. Die Pläne, welche jene Partei auf das Zusammen-
gehen der italienischen Regierung mit der Kurie baut, seien ganz extra-
vagante. Es stimmt dies ganz mit dem überein, was mir Decazes gesagt
hat und dürfte dort zu verwerten sein.
26. März.
Abends bei Bismarck. Dieser sagt, wir dürfen jetzt nicht Frieden
machen. Erst müsse die Gesetzgebung in Preußen von allem gereinigt
werden, was in der Zeit Friedrich Wilhelms IV. in Preußen das Ver-
hältnis zwischen Staat und Kirche verwirrt habe. Nachher sei er zum
Frieden bereit. Bismarck wünscht, daß ich nach München gehe, um dort
an den Beratungen des Reichsrats teilzunehmen.
Paris, 26. April 1875.
Michaud 1) erzählt, daß die meisten der während der Kommune
erschossenen Geiseln Gegner der Jesuiten waren, darunter Darboy,
Erzbischof von Paris, der den Jesuiten wegen seiner Haltung auf dem
1) Altkatholik, seit 1876 Professor an der christkatholischen Fakultät in Bern.