Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 155 
München, 15. Mai 1875. 
Heute bei Döllinger. Er sprach vom Kirchenkonflikt und verglich 
die preußische Regierung mit einem Manne, der in einen Fluß geht, 
ohne dessen Tiefe zu kennen und bei jedem Schritt auf unerwartete Un- 
tiefen trifft. Wenn nur, meinte Döllinger, das Wasser den Unkundigen 
nicht mit fortreißt! Er bedauert, daß man es nicht verstanden habe, die 
Bischöfe teilweise für sich zu gewinnen. Das würde anfangs möglich ge- 
wesen sein, jetzt sei es zu spät. Wolle man aber einmal Frieden machen, 
so möge man nicht mit Rom verhandeln, denn dort sei die Unkenntnis 
über deutsche Dinge zu groß, sondern mit den deutschen Bischöfen. Sie 
ständen allerdings unter dem Einfluß und unter dem Befehl der Kurie. 
Diese aber erteile ihre Befehle erst, nachdem sie die Bischöfe selbst um 
ihre Meinung befragt habe. Auch rät er, ja recht vorsichtig zu sein, wenn 
man Frieden schließe, um das Gute festzuhalten, das man durch die jetzige 
Gesetzgebung erlangt habe. Dazu rechnet er ganz besonders die Gesetze 
über die Erziehung des Klerus. Er empfiehlt die Konzession zu machen, 
die in Württemberg bestehe, wo ein bischöflicher Kommissar an den Staats- 
prüfungen der Geistlichen teilnehme. 
In bezug auf die weltliche Herrschaft des Papstes teilt er meine 
Ansicht, daß diese den Papst an manchen extremen Schritten gehindert 
haben würde, glaubt aber nicht, daß man darauf zurückkommen könne. 
Die Herrschaft der Jesuiten über den Papst hält er natürlich auch für ein 
Unglück und hofft, daß ein künftiger Papst sich davon befreien werde. 
Wir sprachen über den Bischofssitz in Bamberg. Er hat Gustav 
vorgeschlagen, aber ohne Erfolg. Denn nachher sagte mir Pfeufer, daß 
ein oberpfälzischer Pfarrer dazu ausersehen sei. 
Pfeufer ist der Meinung, daß die Wahlen, dank einer richtigen Ein- 
teilung der Wahlbezirke, nicht allzu schlecht ausfallen würden und daß der 
Status quo in der Kammer erhalten werden dürfte. In Oberfranken 
sei die Stimmung günstiger. Ueber den Prinzen Ludwig sagt er, daß 
dieser sich ganz den Ultramontanen angeschlossen habe und darin weiter 
gehe als sein Vater. Der König sei jetzt sehr ängstlich und werde durch 
anonyme Drohbriefe noch ängstlicher gemacht. 
Berlin, 18. Mai 1875. 
Heute Besprechung mit Bülow, der mir die in den nachstehenden 
Auszügen erwähnten Punkte darlegt. Bei dieser Gelegenheit bittet er im 
Auftrage des Fürsten Bismarck, gelegentlich mit Decazes über Gontaut 
zu sprechen und ihm zu sagen, „daß es uns nicht möglich sei, im Inter- 
esse des Friedens und des guten Einvernehmens hier mit Gontaut die 
guten Beziehungen in derselben befriedigenden Weise zu führen, wie wir
	        
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