Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 157 
Diplomatie arbeite in Wien und in Petersburg in dem Sinne, der Regie- 
rung des Deutschen Reichs kriegerische Velleitäten zuzuschreiben. Odo 
Russell habe gewiß nicht in diesem Sinne berichtet. Lyons treibe Nor- 
folksche Hauspolitik und lebe in französischen Anschauungen. Die fran- 
zösische Botschaft sei ultramontan, ebenso Polignac. 
Erlaß an die Botschafter in Wien und Petersburg, in welchem über 
Gontaut und Polignac gesprochen wird. 
Münster antwortet am 13. Mai. Dann schickt er einen Bericht 
eines Liberalen, in welchem Beust als Hauptagitator in der englischen 
Presse und auch in Pariser Blättern bezeichnet wird. Granville Murray 
vermittelt dies. 
Bericht Perponchers vom 11. Mai: Der belgische Minister beklagt 
sich bei ihm über das Drängen Deutschlands ) und sagt, daß ein liberales 
Ministerium nicht mehr tun könne. 
Darauf Erlaß vom 14. Mai. Bismarck sagt: Die belgische Sache 
würde viel weiter und befriedigender gestellt sein, wenn die belgischen 
Minister die Reform der Gesetzgebung und die Duchesnesche Untersuchung 
entweder gleich in Angriff genommen, oder wenigstens unzweideutig zu- 
gesagt hätten. Statt dessen eine Antwort in Phrasen, nicht höflich, und 
der Versuch, Deutschland durch entstellte Angaben zu verdächtigen. Die 
von Perponcher akzeptierte Aeußerung des belgischen Ministers, daß der 
Rücktritt des Ministeriums die belgische Unabhängigkeit gefährde, findet 
Fürst Bismarck eine starke Unterschätzung der Lebensfähigkeit Belgiens. 
Für uns sei es keineswegs erfreulich, Belgien von Ministern einer Partei 
regiert zu sehen, welche mit uns im Krieg ist. Die ultramontane Rich- 
tung gravitiere zu Frankreich. Je länger das klerikale Regiment dauere, 
um so abhängiger werde das Land von den Jesuiten. Daß Perponcher 
die Ueberhebung des belgischen Ministers ohne Bemerkung einberichtet, 
überrascht. Zugleich wird ihm empfohlen, da er noch im Gasthaus wohne, 
den Erlaß zu verbrennen! 
Paris, 21. Mai 1875. 
Wenn bisher darüber Zweifel obgewaltet haben, wer der Verfasser des be- 
kannten „Times“-Artikels?) sei, so glaube ich diese vollkommen beseitigen 
zu können. Der Verfasser jenes Alarmartikels ist niemand anders als 
1) Der Belgier Duchesne hatte an den Erzbischof von Paris ein Schreiben 
gerichtet, worin er sich erbot, für eine bestimmte Summe den Fürsten Bismarck zu 
ermorden. Deutschland forderte eine Ergänzung der belgischen Gesetzgebung, welche 
die Bestrafung solcher Gefährdungen des inneren Friedens und der Sicherheit der 
Personen in befreundeten Nachbarstaaten ermögliche. Darauf ein längerer De- 
peschenwechsel. 
2) Anfangs Mai brachte die „Times“ einen Artikel, welcher Kriegsbefürchtungen 
wachrief. 
 
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.