162 Botschafter in Paris (1874 bis 1885)
Die spanische Sache machte mir viel Schreiberei. Heute großer
Bericht nach Berlin darüber.
Gestern mit Lindau und Holstein auf den Buttes Montmartre. Auf
dem Wege dahin besahen wir auf dem Kirchhofe die Gräber von Heinrich
Heine und Cavaignac. Ersteres ein einfacher Stein mit dem Namen,
letzteres eine sehr schöne liegende Statue von Cavaignac. Leider war das
Wetter schlecht, die Aussicht durch Regen und Nebel beschränkt. Wir
sahen uns dann den Grundstein der neuen Kirche des Sacré Ceeur an,
der vor einigen Tagen gelegt worden ist.
Decazes ist krank. Ich kann deshalb keine Geschäfte mit ihm abmachen,
und es bleibt vieles liegen.
Gestern Abend war ich im Vaudeville, wo ein Stück: „Le proceès
Vauradieux“ gegeben wurde. Sehr komische Szenen.
Am 21. Mittags fuhr ich nach Versailles. Reden von Buffet und
du Temple. Greulicher Lärm. !)
Am 23. großes Diner und Soiree in der türkischen Botschaft.
Am 24. Diner bei mir. Oberbürgermeister Hobrecht und sein Bruder,
Rudhart, die Herren der Botschaft u. a.
Am 25. Nachmittags bei Decazes, der noch krank ist.
Paris, 22. Juni 1875.
Herr Ed. Simon, Redakteur des „Mémorial diplomatique", war bei
mir, um zu bitten, man möchte, wie die andern Regierungen, ihm die
Personalveränderungen in der Diplomatie und dem Konsulatsdienst mit-
teilen, damit er sie veröffentlichen könne. Er teilte mir dann einen Brief
eines Korrespondenten mit, der ihm erzählt, die beunruhigenden Nachrichten
seien von Rußland nach England gekommen. Auch sei General Leflö
derjenige, der hierher berichtet habe, man solle sich in acht nehmen. Die
Stimmung in Rußland sei deutschfeindlich, und die Sympathie des Kaisers
Alexander für Deutschland werde dort nicht geteilt. Ich erwiderte ihm,
ich kenne die Russen genau und wisse, daß man ihre frondierenden politischen
Bemerkungen ebenso wenig au sérieux nehmen müsse wie die provozierenden
Redensarten mancher russischen Damen. Wenn es ernst würde, überlegten
sie sich die Folgen. Er sagte, daß zwischen den Russen und den Eng-
ländern eine Annäherung stattfinde. Mir schien, als wenn er gekommen
sei mit dem Auftrage, mich graulen zu machen. Er hat sich überzeugt,
daß das nicht verfing. In der Sache der ägyptischen Reform sieht er
1) Der Gesetzentwurf über die öffentlichen Gewalten wurde von der äußersten
Linken und der äußersten Rechten auf das heftigste angegriffen. Der Legitimist du
Temple wendete sich gegen den Marschall persönlich.