Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 191 
die Türken sie nicht dulden werden und daraus Krieg entstehen müsse. 
Einen selbständigen Staat aus Bosnien und der Herzegowina zu machen, 
hält er nicht für leicht. Der türkische Botschafter meinte, er würde längst 
dem Sultan geraten haben, dies zu tun, wenn nicht 45 %% der Bevölkerung 
Mohammedaner wären. Die Folge der Gründung eines selbständigen 
Staats würde der Bürgerkrieg zwischen den Einwohnern sein. 
Paris, 26. Mai 1876. 
Der Duc Decazes erwartete gestern noch von London die Antwort 
auf seine Vorstellungen. Heute sagt mir Kufstein, daß die Antwort ge- 
kommen sei und ablehnend laute. Der Duc Decazes will aber dennoch. 
mit den übrigen Mächten vorgehen. Er hat auch ganz recht. Fürstin 
Trubetzkoy meinte, Oesterreich werde jetzt mit England gegen Rußland. 
gehen. Sie und ihre Gesinnungsgenossen der slawophilen russischen Partei 
wünschen dies natürlich. Daher dieses Gerede. 
Heute Abend bei der Fürstin Trubetzkoy. Dort war der Prinz von 
Oranien, den ich seit vier Jahren nicht gesehen hatte und viele Bonapartisten. 
Mr. Nadaud sang lange Chansonetten am Klavier. 
Hier sprechen die Leute auf der Straße davon, daß England Frank- 
reich den Krieg erklärt habe. 
Hirsch hofft viel von der Bewegung der Softas und glaubt, daß 
vielleicht daraus eine heilsame Umgestaltung des türkischen Reichs hervor- 
gehen könne, insbesondere weil die durch die Softas vertretene Partei sich- 
mit der christlichen Bevölkerung zu verständigen suche. Ignatiew werde- 
dies allerdings zu verhindern suchen. Der scheint überhaupt der böse 
Genius der Türkei zu sein. „C'est son métier.“ 
Vorher war ich in der Sociêété de Sauvetage, wo Lamoricière 
präsidiert. 
29. Mai. 
Vorgestern teilte mir Deeazes die Londoner Antwort mit, die ich nach 
Berlin telegraphierte. 
Paris, 12. Juni 1876. 
Gestern Grand Prix. Mit Wesdehlen und Lindau hinausgefahren. 
Auf der Tribüne des Marschalls der Großfürst Michael und die Groß- 
fürstin, dann die Botschafter und die marokkanische Botschaft. Der Alte- 
sieht sehr gut aus. Alle waren in weißen Mänteln, nur der Cawadji, 
der Kaffeesieder, in braunem Kostüm, und zwar in sehr schmutzigem. Ich. 
sagte Decazes, daß ich gehört habe, sie kämen, um sich über den spanischen 
Eroberungsplan zu beklagen. Decazes antwortete, das sei bis jetzt nicht. 
der Fall gewesen.
	        
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