Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Botschaf er in Paris (1874 bis 1885) 197 
fragt, was er tun solle, als die Enquetekommission sich ungünstig über 
ihn geäußert habe. Thiers habe es abgelehnt, einen Rat zu erteilen, habe 
es aber sehr beklagt, als sich Bazaine dazu entschlossen habe, „äe demander 
des juges“. Er, Thiers, würde Bazaine nie vor Gericht gestellt haben. 
Das ganze Verfahren sei eine Infamie. Er habe es aber nicht hindern 
können. Auch erzählte Thiers, Broglie habe nach der Verurteilung Bazaines 
bis Mitternacht gebraucht, um Mac Mahon zu bestimmen, das Todes- 
urteil nicht zu unterschreiben. Darin habe Broglie sich seines Vaters 
würdig gezeigt, der als junger Pair de France allein gegen die Ver- 
urteilung des Marschalls Ney gesprochen und gestimmt habe. 
Dann ging ich zu Morier, der wieder wohl ist und mir viel von 
der Zweckmäßigkeit eines Zusammengehens Deutschlands mit England 
sprach. Ich sagte ihm, die einzige Gefahr sei, daß England jetzt seine 
günstige Stellung zu rücksichtslos ausbeute und Rußland zu demütigen 
suche. Da könne es vorkommen, daß Rußland zum Aeußersten getrieben 
werde. Morier stimmte dem bei und versprach, in diesem Sinne mit Lord 
Derby und Disraeli zu sprechen. 
Decazes behauptet gehört zu haben, Bismarck sei mit den Jesuiten 
über die künftige Papstwahl einig. 
Paris, 20. Juli 1876. 
Am Dienstag mit der Duchesse Decazes nach St. Germain, wo ich 
bei der Baronin Löwenthal dinierte mit Decazes und Wimpffen. 
Abends bei Thiers. Man war voll des Lobes über die Rede von 
Jules Simon im Senat.1) Thiers war nicht sicher, ob das Gesetz über 
die Collation des grades durchgehen würde. Wenn dies nicht der Fall 
ist, so hält er eine Ministerkrisis nicht für unmöglich. Es sei nun einmal 
so, daß Frankreich republikanisch sei und eine Regierung habe, die die 
Monarchie vorziehe. Er meint, es wäre möglich, daß dann der Marschall 
ein Ministerium Fourtou nehmen werde. Einen Staatsstreich werde der 
Marschall nicht machen. Ueber die auswärtige Politik war Thiers be- 
ruhigt. Nur dürfe England „ne pas trop tracasser la Russie“. 
Gastein, 2. August 1876. 
Abreise den 1. August früh von Aussee. Ankunft um 6 Uhr. Der 
Kaiser wohnt im Badeschloß. Ich besuchte Pückler und meldete mich. 
Bülow II erzählt, die Besprechung des Kaisers mit Bismarck sei ver- 
anlaßt worden durch die Aufregung, in der der Kaiser in Ems gewesen 
sei. Beunruhigende, zu englisch gefärbte Briefe Münsters hätten dazu bei- 
  
1) In der Debatte über das Gesetz betreffend die Collation des grades. Der 
Senat lehnte das Gesetz am 21. Juli mit 144 gegen 139 Stimmen ab.
	        
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