Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

198 Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 
getragen, Korrespondenzen mit der Kaiserin und der Königin Viktoria u. s. w. 
Neues gibt es nicht. Ich gehe heute wieder zu ihm, um Akten zu lesen. 
Heute früh war Stolberg bei mir. Er sagt, daß ihm die Politik 
Andrassys, die keine Veränderung im Orient wolle, unklar scheine. Ueber 
die Annexion von Bosnien sei Andrässy weggegangen, ohne sich auszu- 
sprechen. Stolberg meint, es sei doch möglich, daß man sich schließlich 
darauf einlassen werde, um wenigstens eine Lösung zu haben. 
Aus den Akten, die ich bei Bülow las, ersah ich, daß der Reichs- 
kanzler an dem Dreikaiserbündnis festhält und Kaiser Wilhelm warnt, sich 
nicht durch England bestimmen zu lassen, etwas zu tun, was jenes Bündnis 
lockern könnte. Die Kaiserin Augusta und die Königin Viktoria haben an 
dem Kaiser gebohrt, um ihn schwankend zu machen. Es scheint, daß 
Augusta sich jetzt vor der englischen Flotte fürchtet und das englische 
Kriegsgeschrei für bare Münze nimmt. 
Der Kaiser erzählte mir von Ems, von der Beunruhigung des Kaisers 
Alexander, von dessen Aerger über die Angriffe in der österreichischen und 
englischen Presse. Daß der Kaiser Alexander den Frieden wolle, darüber 
sei kein Zweifel, auch darüber, daß er nicht daran denke, Konstantinopel 
nehmen zu wollen. Die Schwierigkeit der Lage bestehe darin, daß alle 
Mächte mit Ausnahme Oesterreichs einig seien, durch die Autonomie von 
Serbien und Montenegro die Sache zu Ende zu bringen, daß aber Oester- 
reich auf der Forderung von Reformen beharre. Ganz gab aber der 
Kaiser die Hoffnung nicht auf, zu einer Lösung zu kommen, insbesondere 
wenn Oesterreich bestimmt werden könne, Bosnien zu nehmen. 
Dann sprach der Kaiser über die innere Lage von Frankreich, hörte 
zu, als ich ihm erzählte, und schien besonders ungünstig gegen die Orleans 
gestimmt zu sein. 
Am 3. August Partie auf den Gamskahrkogel. Nachmittags zurück 
und Visiten. Besuch des Kaisers bei uns. 
Paris, 27. August 1876. 
Vor einigen Tagen besuchte ich Abends Decazes. Wir rauchten eine 
Zigarre und unterhielten uns bis ½1 Uhr von verschiedenem. Da er 
mir mit großem Aerger mitteilte, daß Arnim auch ihn als Entlastungs- 
zeugen habe zitieren lassen, so kam die Rede auf diesen. Das erstemal, 
daß Decazes mit Arnim zusammentraf, war bei dem Duc d'Aumale. Nach 
dem Diner bemerkte Decazes, daß Arnim ihn auf eine unangenehme Art 
firierte. Das ärgerte ihn. Gleich darauf aber kam Arnim auf ihn zu, 
redete ihn freundlich an und erinnerte ihn daran, daß sie sich schon ander- 
wärts gesehen hätten. Dann sei die Konversation gut geworden. Nach 
einigen Monaten wurde Decazes Minister. Er erzählte dann die Roth=
	        
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