Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

206 Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 
von Konstantinopel aus beherrschen. Indessen, fügte er hinzu, daß Ruß- 
land Konstantinopel nicht bekäme, dafür würden die Engländer Sorge 
tragen, wenn sie nicht zu viel Zeit verlören. Die Besetzung Konstantinopels 
durch die Engländer sieht er für den Fall des Kriegs als ganz selbst- 
verständlich an. 
Daß Frankreich den Frieden unter allen Umständen wolle, sei selbst- 
verständlich. Daß Deutschland den Frieden wolle, sei ihm ebenfalls nicht 
zweifelhaft. „Aber,“ fügte er nochmals hinzu, „Ihre Regierung könnte 
viel dazu beitragen, den Frieden zu erhalten. Sie können nicht gegen 
Rußland auftreten, aber Sie können Rußland im Zweifel lassen, was Sie 
tun werden.“ 
Dann kam er auf die innere Lage, bestätigte die in meinem Bericht 
erwähnte Tendenz des Herzogs von Broglie, setzte aber hinzu, daß der 
Marschall, wenn er dem nachgäbe, seine Stelle riskiere. 
„Cette politique de M. Buffet est odieuse au pays. On Uen veut 
pas. Le peuple est démocrate. C'est un fait du’il faut accepter. II 
faut en prendre son parti.“ 
Paris, 5. Dezember 1876. 
Heute Abend Soiree im Elysée zu Ehren der Königin von Holland. 
Da das Theaterstück schon angefangen hatte, als ich ankam, so blieb ich 
im ersten Zimmer mit d'Harcourt, der mir sagte, daß Audiffret-Pasquier 
abgelehnt hat.1) Duclerc war da, und wir sprachen über ihn. Es scheint, 
daß man Lust hat, ihn zu nehmen. Nur sein Mangel an Rednertalent 
stört. Wir kamen dann auf den Berliner Botschafterposten zu sprechen. 
Ich empfahl ihm Leute wie Duclerc oder Léon Say. Er meinte, man 
solle einen gewiegten Diplomaten hinschicken. Ich erwiderte, daß mir das 
weniger nötig schiene. Was man dort brauche, sei ein Politiker von An- 
sehen, mit dem Fürst Bismarck sich rückhaltlos unterhalten könne. Das 
werde weiter führen als diplomatische Künste. Das sah er ein. Nur 
meinte er, man müsse Gontaut unterbringen, und das sei jetzt schwer, da 
Gontaut nicht nach Rom gewollt hat, weil er sagt, er sei schon so als 
Klerikaler verschrien, daß er nicht noch mehr in den Ruf kommen wolle, 
was geschehen würde, wenn er zum Papst ginge. 
Mit dem Marschall kam ich zuletzt in ein Gespräch, aus welchem ich 
ersah, daß man ihn gedrängt hat, ein Ministerium der Rechten zu wählen. 
Er findet aber, daß das jetzt nicht an der Zeit sei. Er weiß, daß er bei 
  
1) Das Ministerium Dufaure hatte am 2. Dezember 1876 seine Demission 
gegeben infolge einer Differenz zwischen dem Minister des Innern und dem Kriegs- 
minister. Die Krise dauerte bis zum 12. Dezember, wo ein Kabinett unter dem 
Präsidium von Jules Simon gebildet wurde.
	        
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