208 Botschafter in Paris (1874 bis 1885)
Beziehungen legt, so können wir uns wohl enthalten, unser Geld en pure
perte auszugeben. Die Stimmung ist hier seit jener Sache entschieden
schlechter geworden.
Paris, 9. Januar 1876.
Gestern Nachmittag kam Thiers zu mir. Er wollte sich augenscheinlich
erkundigen, was an den Gerüchten wahr sei, die über eine Verstimmung
zwischen Deutschland und Frankreich kursieren. Ich sagte ihm, ich sähe
keine Wolke. Ich wisse wohl, daß man hier über unfre Abstention von
der Ausstellung verstimmt sei, bei uns aber könne man daraus keinen
Anlaß zum Groll gegen Frankreich nehmen.
Heute sagte ich Decazes, daß Thiers bei mir gewesen sei. Er wußte
das schon und daß ich Thiers beruhigt habe. Als ich ihm sagte, ich ginge
heute Abend noch zu Thiers, erwiderte er: „On dit que vous n'en
sortez pas.“
Paris, 23. Januar 1877.
Mit Thiers, den ich heute Abend besuchte, kam ich auf die Streitig-
keiten zwischen der deutschen und der französischen Presse zu sprechen.
Wir konstatierten, daß es Elemente gebe, welche ein Interesse daran hätten,
Deutschland und Frankreich hintereinander zu bringen. Im übrigen sieht
Thiers den Frieden als gesichert an. Die Türken, welche bisher schon
viel Geschicklichkeit bewiesen haben, werden auch so gescheit sein, die Kon-
zessionen jetzt von selbst zumachen und den Serben, Montenegrinern u. s. w.
günstige Friedensbedingungen gewähren.!) Monsieur de Bismarck könne
nicht darauf ausgehen, Europa in einen allgemeinen Krieg zu stürzen.
Das Gerede darüber sei lächerlich. Bismarck wisse sehr wohl, daß ein
Krieg zwischen England und Rußland auch noch weitergehen könne.
Deutschland brauche aber Frieden, um sich zu konsolidieren. Preußen sei
nach Friedrich dem Großen von seiner Höhe wieder herabgestürzt worden:
es sei also in seinem Interesse, die gewonnene Position zu erhalten und
das könne es nur durch friedliche Entwicklung. Daß Deutschland Krieg
gegen Frankreich führen wolle, wie man es hier fürchte, glaube er nicht.
Wir könnten dabei nichts gewinnen. Was sollten wir denn nehmen?
Wieder Milliarden? Aber um diese zu bekommen, müßte man auch viel
Geld ausgeben. Französisches Land erobern? Davon hättten wir ohne-
dies schon genug. Und was Frankreich betreffe, so denke dieses nicht an
einen Krieg mit Deutschland. Allerdings müsse Frankreich militärisch stark
1) Nachdem die Konferenz in Konstantinopel am 21. Januar ohne Verständigung
geschlossen war, knüpfte die Pforte Friedensverhandlungen mit Serbien und Monte-
negro an.