210 Botschafter in Paris (1874 bis 1885)
Verlegenheiten entstehen. „Wenn wir die Türkei in Baumwolle und Essig
legen könnten, um sie zu konservieren, würden wir es tun.“ Dieser
Zwischenzustand könne aber nicht fortdauern. England übernehme eine
große Verantwortung, wenn es dem unschuldigen russischen Vorschlage
nicht zustimme. Er habe dies auch in Paris der Lady Salisbury gesagt.
und ihr aufgetragen, dies ihrem Manne zu sagen, wenn sie nach Hause
komme.
Blowitz, den ich heute Abend in der Soiree bei Decazes traf, sagt,
die englische Regierung werde dem Protokoll nicht zustimmen. Ein Artikel,
den er zugunsten des Protokolls eingeschickt habe, sei nicht aufgenommen
worden. Er glaube, man werde in England Bedenken tragen, die Kon-
ferenz gewissermaßen fortzusetzen, solange Rußland gerüstet bleibe. Auf
meine Erwiderung, daß Rußland das Protokoll vorschlage, um abrüsten
zu können, meinte er, dann solle Rußland erklären, daß es abrüste. Das
würde die öffentliche Meinung günstiger stimmen. Ich teilte diese Aeußerung
Ignatiew mit, der darüber nachdenklich wurde. Decazes hofft noch auf
die Zustimmung von England.
In bezug auf die Fassung des Protokolls fragte ich Decazes, ob er
daran etwas auszusetzen habe, was er verneinte. Nur sei es zu lang,
und man könne es kürzer machen, ohne daß der Zweck darunter leide.
Die meisten Politiker, die ich gesprochen habe, zweifeln an der Zu-
stimmung Englands.
Berlin, 19. März 1877.
Gestern um 11 Uhr fuhr ich zum Reichskanzler. Es waren ver-
schiedene Leute da, u. a. auch Reuß, was dazu beigetragen haben soll,
ihn schweigsam zu machen. Doch kam er auf die russisch-türkische Frage
und meinte, daß die Forderung Englands, Rußland solle eine Erklärung
abgeben, daß es entwaffne, es Rußland schwer machen werde, sich heraus-
zuziehen.
Heute hörte ich im Reichstage die Debatte über das Reichsgericht.
Moltke kam, und ich begrüßte ihn. Er wunderte sich über die Meinung,
die in Paris verbreitet sei, daß wir Rußland zum Kriege drängten, um
gegen Frankreich freie Hand zu haben. Wir hätten ja doch viel mehr
freie Hand, wenn Rußland, ohne in einen Krieg verwickelt zu sein, hinter
uns stehe und uns schütze. Die orientalische Verwicklung beklagt er und
tadelt die Politik Gortschakows, die den Kaiser in diese Lage gebracht
habe. Er bedauert, daß Rußland den Krieg nicht führt, weil das eine
Verbitterung und Unzufriedenheit im Gefolge haben werde. Auch sei es
immer bedenklich, wenn man einen unzufriedenen Nachbar neben sich habe.
Ueberhaupt sei Deutschland zwischen Rußland, Frankreich und Oesterreich