Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 211 
in einer gefährlichen Lage und müsse über seine Kräfte rüsten. Frankreich 
rüste zu sehr. Es vermehre seine Armee in einer Weise, die uns gefährlich 
sei oder uns wenigstens nötige, immer weiter zu gehen. Die hundertfünf 
Hauptleute, die man verlange, seien nur durch die französischen Rüstungen 
veranlaßt. 
Ich ging dann zu Bismarck. Hier hörte ich nun allerlei Unerwartetes. 
Der Grund, weshalb man nicht will, daß ich die Dinge zu friedlich 
schildere, ist nur, weil der Kaiser unter dem Einfluß der Kaiserin und 
Gontauts sich scheut, die Armee an der französischen Grenze so sehr zu 
verstärken, daß wir den Franzosen gleich sind. Es stehe so viel Kavallerie 
und Artillerie an der Grenze, daß Metz bedroht sei. Die Franzosen 
könnten jeden Augenblick losschlagen und uns in die schlimmste Lage ver- 
setzen. Dabei sei der Kaiser nicht dazu zu bewegen, mehr Kavallerie- 
regimenter nach den Grenzprovinzen zu schicken, bloß aus Furcht, die 
Franzosen zu erschrecken. Der Einfluß der Kaiserin nehme immer zu, und 
dahinter stehe Gontaut. 
Berlin, 23. März 1877. 
Der gestrige achtzigste Geburtstag ist festlich begangen worden. Schon 
früh am Morgen war alles auf den Beinen. Um 10 Uhr begannen die 
Equipagen nach dem Palais zu fahren. Die Fürstlichkeiten hatten ihre 
Audienz um 12 Uhr. Wir fanden im Salon des Kaisers eine Menge 
Damen und Herren. Alles mediatisierte und andre Fürsten und Fürstinnen. 
Die Herren in Uniform, die Damen in Morgentoilette. Obenan die 
Fürstin Bismarck in hellblauer Seide. Die übrigen Damen meistens hell. 
Fürstin Marie Pleß und Marie Radziwill allein nicht in ganz hellem 
Kleide. Zuerst kam die Kaiserin und die Großherzogin von Baden und 
begrüßten die Damen. Dann kam der Kaiser und machte die Runde. 
Unten standen Elisabeth, Mary Ratibor und Marie Ujest. Sie über- 
gaben dem Kaiser einen Stuhl, der mit Kornblumen geziert war. Ich 
hatte das Gedicht, das sie erst übergeben wollten, umgearbeitet und galt 
als der Dichter. Der Kaiser winkte mich herbei und dankte mir in liebens- 
würdiger Weise. Er wunderte sich, einen poetischen Botschafter zu haben. 
Um 6 Uhr war Diner der Diplomaten bei Bismarck. Ich saß zwischen 
der Tochter des Hauses und einem fremden Diplomaten. Wir sprachen 
von vielem. Marie Bismarck sagte u. a., ich sei der einzige Mensch, auf 
den der Reichskanzler sich verlassen könne. Auch erwähnte sie, ihr Vater 
habe oft an mich gedacht, wenn er müde sei, sich zu ärgern, und abgehen 
wolle. Nachher sprach ich mit Gontaut. Ich finde, daß der Reichs- 
kanzler viel zu viel Gewicht auf ihn legt. Er ist doch ein unbedeutender 
Schwätzer. Ebenso überschätzt Bismarck die Phrasen der Kaiserin.
	        
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