Im Reichstage (1870 bis 1874) 15
einen Satz bei, der mich angenehm berührte, da er von großem Selbst-
vertrauen zeugt, er sagte nämlich: „Der Kaiser ist doch furchtbar verblendet,
daß er diesen Krieg anfängt.“ Ferner bedauerte er, daß wir eigentlich,
selbst wenn wir siegten, nicht viel gewinnen könnten, da es schwer sei, zu
sagen, in welcher Weise die Zustände in Frankreich gestaltet werden
müßten, um zu einem dauernden Frieden zu führen. Er sprach dann
von Oesterreich, von dem er hofft, daß es neutral bleiben werde, und
sagte: „Ihr Bruder soll, nach unsern Berichten, ganz besonders für den
Krieg agitieren. Es tut mir leid, ich habe Ihren Bruder sehr gern.
Was will Oesterreich? Wir werden Oesterreich nicht beunruhigen.“ Ich
erwiderte, die Oesterreicher fürchteten, daß, wenn sich infolge des Krieges
Deutschland einige, ihre deutschen Provinzen zu Deutschland gravitieren
würden und Oesterreich dadurch in seinem Bestand gefährdet werden
könne. Darauf meinte er, wir könnten ja schon eine Form finden, welche
diese Gefahr beseitige. Mir schien, als spiele er damit auf eine Reform
der norddeutschen Bundesverfassung in mehr föderativem Sinne an. Da
er aber wenig Zeit hatte, so mußten wir das Gespräch abbrechen, und
er entließ mich mit der Hoffnung, daß wir uns in gehobener Stimmung
wiedersehen möchten.
Ich fuhr nun nach Hause, um mich umzuziehen, und eilte dann ins
Theater. Die Vorstellung hatte schon begonnen; der Empfang des Königs
und seines Gastes soll glänzend gewesen sein, auch der Prolog ließ nichts
zu wünschen übrig. Die Vorstellung, „Wallensteins Lager“, war bald
vorüber. Als der Vorhang fiel, entstand allgemeines Bravorufen, Hände-
klatschen und Hurra. Der Kronprinz trat vor an die Logenbrüstung und
verneigte sich nach drei Seiten. Dann ging der Vorhang wieder auf, und
Kindermann sang eine eingelegte Strophe zu dem letzten Lied, in welchem
vom freien Rhein u. s. w. die Rede war. Hierauf abermals unbeschreib-
liches Hochrufen und Enthusiasmus. In der Nacht fuhr der Kronprinz
nach Stuttgart weiter, und ich traf meine Vorbereitungen zur Abreise für
Donnerstag Abend. Um 8½ Uhr fuhr ich mit Fritz Holnstein, der, nach-
dem er bayrischer General geworden, wieder auf einige Tage nach Hause
geht, bis Lambach und von dort über Gmunden nach Ischl.
Aus Briefen des Kardinals.
Rom, 4. August 1870.
.. Unterdessen ist der Krieg da, und ich bin fortwährend bei Euch
und bete zu Gott und lasse viel beten, daß er der gerechten Sache bald
den Sieg verleihen wolle. Ich wäre selbst gern gekommen, um auf dem
Schlachtfelde den armen Verwundeten und Sterbenden zu assistieren.
Vorderhand findet man es hier untunlich wegen politischer Rücksichter