Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 239 
23. Juni. 
Gestern um 2 Uhr war Sitzung. Salisbury berichtete über die Vor- 
besprechungen und brachte den Entwurf der Verständigung, dem dann 
Schuwalow zustimmte, wenn er auch noch Vorbehalte bezüglich der Rechte 
der Türkei in Südbulgarien machte. Waddington wurde beauftragt, 
diese Vorbehalte zur nächsten Sitzung in eine annehmbare Form zu 
bringen. Es scheint, daß allgemein der Wunsch besteht, Frieden zu 
machen. 
Abends im Zoologischen Garten, wo zu Ehren des Kongresses Konzert 
war. Es sollen dreißigtausend Menschen zusammen gewesen sein, die uns 
anstaunten. Die Musik spielte alle Nationalhymnen, für die Franzosen 
hatten sie nichts andres finden können als den Air Louis XIII. Nach- 
her fuhr ich zu St. Vallier in die Soiree, wo ich allerlei exotische Menschen 
sah. Die Armenier begrüßten mich. Es war der Patriarch, den ich schon 
in Paris gesehen hatte. Sie hatten schwarze Kapuzen auf und sahen 
merkwürdig aus. Der Montenegriner Petrovitsch war in seinem Kostüm. 
Er sieht aus wie ein rechter Räuber. Ristic konnte ich nicht finden. Ein 
chinesischer Gesandter mit einer Brille sah aus wie eine Institutsvorsteherin. 
Seine zwei dicken Sekretäre auch mit Strohhüten und Federbüschen sahen 
aus wie gemästete Spanferkel. 
Um 11 Uhr ging ich zu Bismarck, wo auch Münster erschien. Neues 
wurde nicht besprochen. 
24. Juni. 
Um 6 Uhr zu Bismarck zum Diner. Außer Andrässy, Waddington 
und Desprez und den französischen Sekretären war noch Münster da. 
Nach Tisch sprach ich mit diesem, der mir von einer Unterredung mit 
Bennigsen erzählte, die er kürzlich gehabt hat. Bennigsen meint, daß 
Bismarck sich entweder mit ihm oder mit Windthorst verständigen müsse. 
Münster hält eine Verständigung zwischen Bismarck und den National- 
liberalen nicht für unmöglich. Wollte Gott, daß es gelänge! Sonst sehe 
ich kein gutes Ende. 
Wir setzten uns an den Tisch, wo Bismarck mit den andern Herren 
sprach. Er erzählte in kurzen Zügen die preußische Geschichte und 
wie jeder Souverän seit dem Großen Kurfürsten anfangs freudig 
begrüßt und am Ende seiner Laufbahn gehaßt worden sei. So gehe 
es auch ihm selbst. Er erzählte dann seine politische Laufbahn und 
erklärte, jetzt froh zu sein, wieder unpopulär zu werden. Er scheint also 
sehr gut zu wissen, wie die Stimmung ist. Damit ist uns aber nicht 
geholfen. 
Abends bei der Großherzogin von Baden mit Münster.
	        
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