Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 251
genommen wurde. Ob das eine vernünftige Grenze ist, wußte keiner von
uns. Auch sind die Karten von jenem Teil von Armenien so ungenau
und widersprechend, daß es schwer ist, von hier aus Grenzen festzustellen.
10. Juli, Abends.
Blowitz kam heute Morgen lediglich um zu fragen, ob er nicht den
Vertrag am Freitag bekommen könnte, um ihn nach London zu schicken,
damit die „Times“ einen besonderen Abdruck im Augenblick veröffentlichen
könnte, wo er unterzeichnet ist.
Um 1 Uhr war Redaktionssitzung. Um ½3 Uhr Kongreß, wo ich
wieder einen Vortrag über die Grenze von Armenien südlich von Batum
hielt. Dann lange Diskussion über Gortschakows Antrag. Hierauf brachte
Schuwalow einen Antrag wegen eines Begräbnisplatzes bei Schipka. Er
hatte sich seine Rede mit so beweglichen Worten zusammengesetzt, daß er
beim Lesen gerührt wurde und eine Pause machen mußte. Der türkische
Bevollmächtigte Karatheodory goß kaltes Wasser auf diese Rührung, indem
er zu verstehen gab, daß die Russen nur die Türken hindern wollten,
dort Befestigungen anzulegen. Der größte Teil der Sitzung ging mit Vor-
lesen der Vertragsartikel hin, wie sie die Redaktionskommission aufgestellt
hatte. Um 7 Uhr war Diner bei Oubril. Sehr schön, aber ungemütlich
wegen einer rauschenden Tafelmusik, die mich betäubte. Ich saß zwischen
Bülow und Launay. Nachher Delimitationskommission. Wir warteten
auf den Vorschlag der Militärs, die sich wieder über die strategischen
Positionen des Tales von Allasch-Kerd zankten. Während des Wartens
unterhielt uns Mehemed Ali mit Vorlesen seiner Gedichte und mit Er-
zählungen aus seinem Familienleben. Seine Gedichte, besonders die „Rose
von Jericho“, sind gar nicht schlecht. Ein angeblich humoristisches Gedicht,
das er mir gab, ist schauderhaft gemein. Endlich kam Oberstleutnant
Bluhme und hielt seinen Vortrag, worauf wir dann einen Beschluß auf-
setzten. Um 12 Uhr fuhren wir noch zu Karolyi, wo ich gleich den
Armeniern in die Hände fiel, die mich mit ihrer Angelegenheit langweilten.
Um ½1 Uhr nach Hause.
12. Juli.
Gestern endlich ist die Aufgabe des Kongresses beendigt worden. Um
1 Uhr ging ich in die Redaktionskommission. Hier wurde noch das
Préambule des Vertrags beraten und einige Grenzparagraphen.
Um 2 Uhr Plenum. Der Antrag Gortschakows über einen solennen,
phrasenhaften Schlußparagraphen wurde abgelehnt. Gortschakow ärgerte
sich sehr. Waddington bemerkte mit seinem gewöhnlichen bon sens: „Ent-
weder ist er Phrase, dann ist der Artikel überflüssig, oder er hat eine
Bedeutung, dann ist er gefährlich.“ Dann kam noch der auf meinen