Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

20 Im Reichstage (I870 bis 1874 
in Deutschland erstreben wolle, damit die Regierung nicht durch die 
nationale Bewegung zu ungünstigen Bedingungen gezwungen werde. Man 
behauptet, die preußenfeindliche Stimmung in den altbayrischen Provinzen 
verliere sich mehr und mehr. 
Heute wurden wieder drei Kanonen und eine Mitrailleuse vor der 
Residenz ausgestellt. Sie waren auch bei Wörth erbeutet. Die Mitrailleuse 
sieht von weitem aus wie eine Kanone. Hinten ist der Apparat zum 
Drehen, und vorn im Lauf sieht man die Kugellöcher. Näher konnte 
ich mir die Sache noch nicht ansehen, da eine Masse Menschen sich zu- 
drängte. 
In Ingolstadt sind nun schon viertausend französische Gefangene. 
Wenn noch mehr kommen, so weiß man nicht, wo man sie unterbringen 
soll. Der Kriegsminister wird sie wohl im Lager auf dem Lechfeld 
etablieren müssen. 
Das Publikum glaubt, ich würde nun demnächst wieder Minister. 
Die Minister aber denken nicht daran, abzugehen. Auch Bray will nun 
bleiben und den Posten in Wien an Schrenck geben. Schlör sah mich 
mit Schrecken am Horizont auftauchen, da er wohl weiß, daß mein Ein- 
tritt sein Austritt sein würde. Ebenso sieht Holnstein meine Anwesenheit 
ungern, da er sich selbst als künftigen Ministerpräsidenten betrachtet. Es 
läßt sich denken, daß jetzt viel intrigiert wird. Glücklicherweise ist der 
König in Berg nach wie vor unzugänglich und wird seine Ruhe zu er- 
halten suchen, bis er gezwungen ist, durch die Verhältnisse, die bevorstehen, 
eine Aenderung zu machen. 
So scheint es, daß ich vorläufig auch noch der Ruhe werde pflegen 
können. Ich tue keinen Schritt. Wenn man mich braucht, muß man 
mich suchen, und dann werde ich meine Bedingungen stellen. 
München, 20. August 1870. 
Gestern Abend auf dem Klub große Erregung über den Sieg bei 
Rezonville. Ich ging sofort auf das Telegraphenbureau, um die gute 
Nachricht weiterzusenden. Damit scheint der Krieg seinem Ende nahe 
zu sein. Auf dem Wege nach Hause traf ich Werthern. Er erzählte mir, 
daß Bray schon vor der Kriegserklärung ihn gebeten habe, in Berlin 
Bedingungen zu stellen, unter welchen Bayern an der Aktion teilnehmen 
werde, und zwar das Veto im Zollverein und die Revision der Allianz- 
verträge. Bismarck habe ihm aber geschrieben, daß er zu Konjektural- 
politik keine Lust und zu Zeitungsartikeln keine Zeit habe. Auch nach dem 
Beginn des Krieges sei Bray auf die Sache wieder zurückgekommen. Bis- 
marck habe sich aber auf nichts eingelassen, sondern auf eine Depesche ver- 
wiesen, in welcher er Schweinitz seine Ansichten bezüglich der Stellung
	        
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