Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 277
nicht tun können. Er habe den Eindruck gewonnen, daß Bismarck eine
Koalition von Oesterreich, Deutschland, Frankreich und England im Plan
habe. Ich widerlegte dies. Wenn jetzt, solange Andrässy am Ruder sei, ein
solcher Bund nicht geschlossen werde, so würde die konservative Partei in
Oesterreich sich auf unfre Kosten mit Rußland verständigen. Frankreich
werde dann auch nicht zurückbleiben. Was insbesondere Frankreich betreffe,
so sei Waddington gegen Rußland und für England. Waddington könne
aber in drei Monaten gestürzt sein. Es sei möglich, daß dann Kreaturen
von Gambetta ans Ruder kämen, und diese würden Anknüpfungen mit den
russischen revolutionären Elementen finden und mit diesen einen Krieg
heraufbeschwören, um ganz Europa in Revolution zu stürzen. Es werde also
Rußland durch das Bündnis mit Oesterreich ein doppelter Dienst geleistet,
einmal, die Revolution in Schach zu halten und dann Oesterreich fest zu
machen und es abzuhalten, einer Koalition gegen Deutschland und Rußland
beizutreten. Das schien dem Kaiser einzuleuchten. Aber er sprach sich
nicht weiter darüber aus. In der ganzen Unterredung fand ich beim
Kaiser viel Zugänglichkeit für die Argumente des Reichskanzlers, aber
immer dabei die Befürchtung, daß er seinem Neffen und Freund gegenüber
illoyal erscheinen könnte. Ein positives Resultat erreichte ich nicht. Aber
meinen Auftrag, meine Meinung dem Kaiser vorzutragen, hatte ich erfüllt.
23. September.
Früh Briefe und Berichte geschrieben. Um ½12 Uhr zu Bülow.
Um 3 Uhr Dejeuner bei dem Kaiser, wo ich Oberst Colomb fand. Dann
spazieren gegangen und Abends 9 Uhr von Straßburg nach München ab-
gereist.
Notiz vom 22. September 1879.
Rußland ist gegen Oesterreich erbittert. Oesterreich stört seine Pläne
im Orient. Rußland will und muß ihm den Krieg erklären, wenn es
jene Pläne durchführen will. Es wird uns dann fragen, was wir tun
wollen. Halten wir mit Rußland und bleiben neutral, so verbindet sich
Oesterreich mit Frankreich und England. Wir stehen dann mit Rußland
gegen Frankreich, Oesterreich und England. Tun wir jetzt gar nichts, so
kann Oesterreich sich mit Rußland verständigen. Ist dann Frankreich
stark genug, so fängt es mit uns Krieg an, bei dem Rußland und Oester-
reich als unfreundliche Neutrale zur Seite stehen. Wir sind dann isoliert,
ja wir können dann einer Koalition von Oesterreich, Rußland und Frank-
reich gegen uns entgegengehen. Haben wir Oesterreich durch einen Ver-
trag gebunden, so wird England stets auf dieser Seite der Kontinental-