Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 279
Bismarck sagen, ich würde Sachverständige über die Finanzfrage zu Rate
ziehen. Nachher gingen wir in den Salon, wo man Tee trank. Ich fand
den Kanzler noch etwas leidend, aber frisch und munter.
Heute, den 28., ließ mir Holstein sagen, ich möchte mit ihm auf die
Saujagd fahren. Das nahm ich an. Es kam mir wirklich ein Frischling
oder Ueberläufer, den ich fehlte. Dann fuhr ich zurück, Holstein wollte
noch weitere Triebe machen. Ich war gegen 12 Uhr zu Hause, setzte mich
an den Frühstückstisch zur Fürstin und wartete auf den Reichskanzler.
Dieser kam bald nachher, frühstückte, las uns Artikel und Telegramme vor
und lud mich dann ein, zu ihm zu kommen. Er begann die Unterredung,
indem er mir sagte, es sei ihm von Wert, mit mir über die Wieder-
besetzung der Bülowschen Stelle zu reden. Er glaube nicht, daß ich die
Stelle eines Staatssekretärs annehmen würde, was ich bestätigte. Nun
gäbe es einen Ausweg, der darin bestehe, daß mir die beiden Stellen des
Vizekanzlers und des Staatssekretärs zusammen übertragen würden. Er
wisse zwar nicht, wie er es anfangen solle, Stolberg zu veranlassen, wieder
nach Wien zurückzugehen, aber das werde sich finden. Auch könne er mir
keine Besoldung anbieten, die meinen bisherigen Bezügen entspreche, da
für diese Stelle nur zwölftausend Taler disponibel seien und sich eine
höhere Dotierung jetzt nicht durchführen ließe. Ich erwiderte, ich würde
mich glücklich geschätzt haben, diese hohe und interessante Stellung anzu-
nehmen, selbst auf die Gefahr hin, daß meine geistige und körperliche
Kraft sich als unzureichend erweise, allein ich müsse ihm offen sagen, daß
meine finanzielle Lage mir nicht erlaube, ohne entsprechendes Gehalt in
Berlin zu leben. Meine Verhältnisse, welche etwas derangiert gewesen,
seien jetzt geordnet. Damit aber der Plan durchgeführt werden könne,
sei das Gehalt eines Botschafters unentbehrlich. Ich könne jeden Augen-
blick auf dieses Gehalt verzichten, würde dann aber eingeschränkt auf dem
Lande leben oder etwa in München. In einer großen Stadt könne ich
ohne jenes Gehalt nicht leben. Das sah der Reichskanzler vollkommen
ein und bestärkte mich in meiner Auffassung durch Angaben über seine
eignen Verhältnisse. Er, der nicht mehr Aufwand macht, als ich machen
müßte, gibt jährlich fünfzig= bis sechzigtausend Taler aus. Er weiß also
sehr gut, daß ich nicht mit zwölf= oder auch zwanzigtausend Talern in
Berlin leben könnte. Ich fragte, ob er denn den Posten gleich besetzen
müsse. Das verneinte er. Und ich sagte, wenn er mich während des
Sommers zur Vertretung brauche, sei ich stets bereit. Das nahm er für
den eventuellen Fall dankbar an. Dann nannte er Keudell, Schlözer,
Radowitz, Otto Bülow, Pfuel, Styrum, Alvensleben, charakterisierte jeden
sehr richtig und fragte, für wen ich stimmen würde. Ich nannte Schlözer.
Damit schloß die Unterredung.