282 Botschafter in Paris (1874 bis 1885)
gleichlichen Ausdruck von Ironie, Entrüstung und Resignation nichts als:
„Enfin!“ und richtete sich noch steifer in die Höhe als sonst. Als nun
Grévy herauskam, wurde er noch steifer, so daß Grévy gar nicht wußte,
was das bedeuten sollte. Er bot uns Stühle an, und nun begann eine
recht gemütliche Unterhaltung seitens Grévys und eine sehr herablassend
hochnäsige seitens Seiner Königlichen Hoheit. Als eine Stunde um war
und der Großherzog noch immer nicht aufbrach, bekam ich große Angst,
daß Grévy plötzlich aufstehen und sich freuen werde, die Bekanntschaft
des Monarchen gemacht zu haben. Glücklicherweise tat er aber nichts der-
art, führte die Notwendigkeit der republikanischen Staatsform in Frank-
reich in wohlgesetzten Worten aus und imponierte durch seine klare Dar-
stellung nicht wenig. Endlich erhob sich der Großherzog, und wir gingen
von Grévy hinausgeleitet bis zum Wagen.
Noch muß ich erwähnen: Als wir zum Präsidenten fuhren, bemerkte
ich dem Großherzog, er solle sich nicht skandalisieren, wenn Grévy einen
Verstoß gegen die Etikette mache, er sei „ein Kanadier, der Europens
übertünchte Höflichkeit nicht kenne“, worauf der Großherzog erstaunt fragte,
ob denn Grévy aus Kanada sei. Ich mußte nun erläuternd bemerken,
daß diese Redensart ein Vers aus einem Gedichte von Seume sei, das
nach Büchmann noch zwei weitere geflügelte Worte geliefert hat.
Paris, 17. November 1879.
Heute besuchte ich wieder den Nunzius. Er kam sofort auf das Ge-
spräch zurück, das wir neulich im Ministerium nicht beendigt hatten. Es
ist immer die Frage, wie der Kulturkampf in Preußen beendigt werden
kann. Ich wiederholte die letzten Sätze meiner damaligen Aeußerungen
und sagte, nicht die Regierung allein, sondern das Volk habe es für
nötig gehalten, die Paragraphen der Verfassung zu beseitigen. Man wolle
bei uns keine „freie Kirche im freien Staat". Was mir bei Monsignore
Czacki mißfällt, ist seine Tendenz, die Unterstützung des Papstes für
die Pläne des Reichskanzlers in Aussicht zu stellen für den Preis,
daß man preußischerseits ihm in bezug auf die Maigesetze Konzessionen
mache. Dabei läßt er durchblicken, daß, wenn man sich nicht verständige,
daraus Gefahren für den Staat entstehen würden. Als er hervorhob,
daß bis zu den Maigesetzen die besten Beziehungen zwischen der Kurie
und Preußen bestanden hätten, erinnerte ich ihn an die Entstehung des
Kulturkampfs und daran, daß die feindliche Haltung der Zentrumspartei
und der katholischen Presse gleich nach dem Kriege und nach der Grün-
dung des Deutschen Reichs eingetreten sei, noch ehe man an die Mai-
gesetze gedacht habe. Ich wiederholte, daß wir uns auf eine Wieder-
herstellung der Verfassungsparagraphen nie einlassen würden. Er meinte,