Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 293 
des Reichskanzlers ihn zwinge, sich nach einem Ersatz für Bülow umzu- 
sehen. Daß dies nicht gleich definitiv geschehe, sei ein Internum des Aus- 
wärtigen Amts, auf das ich nicht weiter eingehen könne. Die Tatsache 
aber, daß ich von Paris weggehe, sei eher beruhigender Natur, da sie 
beweise, daß unsfre Beziehungen so freundlicher Natur sind, daß die Ab- 
berufung zu keinen Ungelegenheiten Anlaß gebe. 
Paris, 14. März 1880. 
Heute war Maxime Ducamp bei mir. Natürlich kam das Gespräch 
bald auf seine Schriften und sseine Forschungen über die Geschichte der 
Kommune. Er erzählte, daß er viele Besuche von Kommunards erhalte, 
die ihm ihre Erlebnisse gegen Geldentschädigung mitteilen und dabei den 
Zweck verfolgen, sich groß zu machen und ihre Kameraden herabzuwürdigen. 
Ducamp sagt, er habe nur den geringsten Teil von dem veröffentlicht, 
was er wisse. Sehr vieles sei so scheußlich, daß man es nicht drucken 
lassen könne. Die Kommune sei die entfesselte Bestialität gewesen. So 
erzählte er, daß die Frau des Generals Eudes, der in der Légion d'Hon- 
neur wohnte, ein Fest gegeben habe, wobei sie in rosenfarbenen Strümpfen, 
schwarzen Zugstiefeln und dem Großen Band der Ehrenlegion erschien. 
Sonst hatte sie nichts an. Ducamp bezeichnet die Kommune und die 
ganze sozialistische Bewegung unfrer Zeit als eine Geisteskrankheit, einen 
Zerstörungswahn, der sich durch Ansteckung weiter verbreite. Ein Kom- 
munard kam zu ihm und klagte über seine Not und die Kälte, von der 
seine Frau hart mitgenommen werde, da sie kein warmes Kleid habe. 
Ducamp gab ihm fünfzig Franken, damit er ihr ein Kleid kaufe. Darüber 
gerührt, machte der Kommunard ihm ein Geschenk. Es war eine kleine 
Blechbüchse, in welcher eine Mischung von Potassium und Soda enthalten 
war, welche brennt, wenn Wasser darauf kommt. Das ist das Zer- 
störungsmittel der Sozialisten. Ein andrer Kommunard sagte ihm, in 
fünf Monaten werde die Republik in Rußland proklamiert werden. Dann 
würden alle andern europäischen Staaten nachfolgen. Ducamp sagt, wenn 
die Regierung Hartmanni) ausgeliefert hätte, würde sie genötigt gewesen 
sein, den Radikalen die Kompensation der allgemeinen Amnestie zu geben. 
Das fürchte Gambetta, der wohl wisse, daß die Amnestie zur Folge 
haben werde, daß Rochefort Diktator werde. Geschehe dies, so werde 
der Krieg mit Deutschland und allgemeines Massaker der Konservativen 
erfolgen. 
  
1) Den Urheber des in Moskau am 1. Dezember 1879 auf den Kaiser Ale- 
rander unternommenen Attentats. Seine Auslieferung hatte die französische Re- 
gierung verweigert.
	        
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