Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

306 Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 
über französische Dinge. Er betonte, daß wir den Franzosen offen sagen 
könnten, wir freuten uns, wenn sie anderweite Interessen verfolgen, wie 
in Tunis, Westafrika oder im Orient, und dadurch abgehalten würden, 
ihre Blicke nach der Rheingrenze zu richten. Damit ist aber nicht gesagt, 
daß wir Frankreich in Verwicklungen hineinhetzen wollten. Wir seien 
ruhige Zuschauer und würden Frankreich nicht inkommodieren, wenn es 
anderweitig engagiert sei, denn wir hätten von Frankreich nichts zu ver- 
langen als Ruhe und Frieden. Gambettas Einfluß hält der Reichs- 
kanzler für gemindert, er glaubt, daß Freycinet berufen sein werde, noch 
eine Rolle zu spielen. Er meint, man solle Gambetta höflich behandeln, 
aber nicht zu sehr fetieren. 
Heute Abend, als St. Vallier kam, wurde von auswärtiger Politik 
gesprochen. Fürst Bismarck wie St. Vallier sprachen beide den Wunsch 
aus, daß die Schiffe beider Nationen bald von Dulceigno abfahren möchten. 
Fürst Bismarck tadelte die Politik Gladstones in der entschiedensten Weise. 
Er tue nichts, als die Interessen Rußlands im Orient zu fördern, und lasse 
die Interessen Englands außer acht. Später kam die Rede auf die 
Broschüre von Decazes. Bismarck sagte, der ganze Kriegslärm von 1875 
sei durch die unvorsichtigen Aeußerungen veranlaßt worden, die Radowitz 
gegenüber von Gontaut getan habe. Dieser hätte es berichtet und dadurch 
Decazes Mittel zu seiner Intrige gegeben. Auch auf seiner Reise nach 
Petersburg hätte Gontaut die Sache betrieben. So sei es denn möglich 
geworden, daß Decazes die Kriegsbefürchtungen in die Welt setzen und 
Gortschakow bei seiner Ankunft in Berlin sich den Anschein geben konnte, 
daß er den Frieden erhalten habe. 
27. November. 
Bei einer Unterredung, die ich heute mit dem Reichskanzler hatte, 
dankte ich ihm für die mir bewiesene Freundlichkeit während meiner Amts- 
tätigkeit in Berlin. Er sagte mir allerlei Schmeichelhaftes und hob hervor, 
daß ich nur den Fehler begangen hätte, zu gewissenhaft und nicht träge 
genug gewesen zu sein. Das hätte mich krank gemacht. Wenn ich wieder 
in die Lage käme, möchte ich es nicht tun. Dann sprach er von Hatzfeld, 
der jetzt keine rechte Lust mehr habe, nach Berlin zu kommen, aber es doch 
tun würde. Er werde nun versuchen, ob die persönlichen und andern 
Schwierigkeiten zu besiegen seien. Solange er so wohl sei wie jetzt, könne 
er mit Busch auskommen. Anders sei es im Sommer. Weiter wurde 
das Gespräch nicht fortgesetzt. 
Berlin, 27. November 1880. 
Von Friedrichsruh zurück, notiere ich die Punkte, die St. Vallier mit 
dem Kanzler besprochen hat und die ganz vertraulicher Natur sind, wes- 
halb St. Vallier sie mündlich vorbringen mußte.
	        
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