Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

308 Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 
von Paris weg und nach München gehen zu dürfen, was er zugab. „Vor 
allem schonen Sie sich,“ schloß der Kaiser, „Sie sind uns noch zu wichtig.“ 
Paris, 5. Dezember 1880. 
Heute früh besuchte ich Gambetta. Er empfing mich in seiner 
italienisch höflichen und herzlichen Weise. Er zeigte sich sehr befriedigt 
von den Resultaten der gegen die Kongregationen gerichteten Maßregeln 
und meinte, daß alles sehr gut gegangen sei. Das Land sei einmal anti- 
klerikal und habe die Durchführung der Dekrete verlangt und erwartet. 
Die Gefahr für die Regierung habe nur darin gelegen, daß man nicht 
früh genug energisch vorgegangen sei und dadurch Mißtrauen in den guten 
Willen der Regierung erweckt habe. Freycinet, dessen Eigenschaft als 
Redner, Autorität und Charakter Gambetta rühmend hervorhob und 
dessen Abgang er einen Verlust für das Kabinett nannte, 1)) habe sich durch 
die geistlichen Unterhändler betören lassen und sei damit zuletzt so weit 
gekommen, daß er die Dekrete2) überhaupt nicht mehr habe ausführen 
wollen. „Und doch,“ rief Gambetta, „hat er sie selbst gewollt. Ich 
habe ihm ja gesagt, die bestehenden Gesetze reichten aus!“ Nachdem die 
Dekrete aber einmal da waren, habe das Land die Durchführung verlangt. 
Die Zögerung Freycinets habe die größte Beunruhigung und Aufregung 
hervorgerufen und seine Stellung sei unhaltbar geworden. Ich fragte 
Gambetta, ob es richtig sei, daß die nichtautorisierten Kongregationen 
(ausgenommen die Jesuiten) geneigt gewesen seien, um die Autorisation 
einzukommen, und er erzählte mir folgende Tatsache: Am 9. Juli fand 
im erzbischöflichen Palais in Paris unter dem Vorsitz des Erzbischofs 
Guibert eine Versammlung der Delegierten sämtlicher nichtautorisierten 
Kongregationen statt, um über die Frage zu beraten, ob sie um die 
Autorisation einkommen sollten. Die Versammlung entschied sich mit allen 
gegen zwei Stimmen dafür. Als dies die Leiter der katholischen Be- 
wegung, Buffet und die Jesuiten, hörten, waren sie außer sich und lärmten 
so lange, bis eine neue Versammlung der Delegierten im erzbischöflichen 
Palais stattfand, der viele Laien, insbesondere jene dirigierenden Jesuiten- 
freunde, anwohnten, und hier wurde die Frage negativ entschieden, das 
Gesuch um Autorisation als unzulässig bezeichnet. Nun ging man an die 
Kurie, die sich jedoch nur ausweichend äußerte. Die Kongregationen unter- 
  
1) Am 19. September hatte Freycinet seine Entlassung erbeten, Jules Ferry 
war zum Ministerpräsidenten ernannt worden. 
2) Die Dekrete vom 29. März 1880, nach welchen alle Jesuitenanstalten binnen 
drei Monaten zu schließen waren und allen bisher vom Staate nicht anerkannten 
Kongregationen aufgegeben wurde, binnen der gleichen Frist die Anerkennung 
nachzusuchen.
	        
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