Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Votschafter in Paris (1874 bis 1885) 311 
Den 24. 
In der Audienz gestern sprachen wir von Paris und dann von Ruß— 
land. Der Kaiser schien durch die Ernennung Ignatiews!) nicht erfreut. 
Er sprach auch von der Konstitution, und ich glaubte zu bemerken, daß er 
sich mit dem Gedanken an eine Konstitution, für Rußland versöhnen würde. 
Abends mit Paul Lindau und Frau im Nationaltheater, um die 
Rossi als Romeo zu sehen. Wundervoll. Dann zum Reichskanzler. Als 
ich ihm die Empfehlungen der Gräfin Mercy d'Argenteau ausrichtete, kam 
die Rede auf den Krieg und die Friedensverhandlungen. Er erzählte, daß 
er auf Clement Duvernois gewartet hätte, um mit ihm als Bevollmächtigtem 
des Kaisers über den Frieden zu verhandeln. Derselbe sei aber zu spät 
gekommen, als gerade der Waffenstillstand mit Thiers abgeschlossen war. 
Von der Kaiserin und ihrer Tätigkeit als Regentin sprach er sehr weg- 
werfend. Sie hätte sich ganz als liberale Regentin benommen, etwa wie 
die Kronprinzessin, die der Meinung ist, daß man alles an Hänel über- 
tragen und ihn machen lassen solle. 
Berlin, 27. Mai 1881. 
Aus einer Unterredung, die ich gestern mit Saburow hatte, geht 
hervor, daß die im vorigen Jahre begonnenen Unterhandlungen zwischen 
hier, Petersburg und Wien nun doch zu der Erneuerung des Dreikaiser- 
bundes führen werden. Es scheint, daß man die Sache sehr geheim 
betreibt. Saburow glaubte, daß ich davon wisse, und sprach sich eingehend 
aus. Zwischen hier und Petersburg ist keine Schwierigkeit. In Wien 
macht man noch die Bedingung, daß außer der Anerkennung der Annexion 
von Bosnien und der Herzegowina auch der Sandschack von Novibazar 
von Oesterreich annektiert und als österreichisches Gebiet in die Garantie 
des Vertrags der Mächte einbegriffen werden müsse. Eine Bedingung, 
auf die Rußland nicht eingeht, da der Kaiser von Rußland nicht mehr 
zugeben will als sein Vater. Saburow glaubt aber, daß diese Schwierig- 
keit sich auch beseitigen lassen werde, und hofft bald den Vertrag zu unter- 
zeichnen, der hier abgeschlossen werden soll. Saburow sprach dann noch 
von den russischen Zuständen und erzählte, daß alle Russen, die hier 
durchkämen, konstitutionell gesinnt seien. Er selbst schien zweifelhaft und 
fürchtet, daß, wie ihm dies wohl der Reichskanzler gesagt haben wird, eine 
Konstitution und die daraus hervorgehende legislative Körperschaft zentri- 
fugale Bestrebungen hervorrufen werde. 
  
1) Graf Ignatiew, der frühere Botschafter in Konstantinopel, war am 7. April 
zum Domänenminister, am 16. Mai zum Minister des Innern ernannt worden.
	        
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