314 Botschafter in Paris (1874 bis 1885)
wäre, denn die grands principes von 1789 waren bereits verkündet. Es
war aber eine Insurrektion gewesen, und die republikanischen Faiseurs
glaubten das Fest zu dem Nationalfest wählen zu müssen, um dem
Pariser Pöbel ein stets wiederkehrendes Kompliment zu machen. Das
freut denn die Pariser sehr, und die, die von der Bastille auch gar nichts
mehr wissen, freuen sich, daß es ein Feiertag ist, wo die badauds viel zu
sehen haben und wo viel getrunken, gejohlt und geschwitzt wird. Um
9 Uhr früh ging ich auf die Terrasse des Tuileriengartens, um mir die
Demonstration vor der Statue der Stadt Straßburg — gegenüber von
dem Rothschildschen Hause — anzusehen, von der man mir gesprochen
hatte. Es standen einige Arbeiter in schwarzen Röcken da und hatten
rote Fahnen mitgebracht, die sie an das Postament anlehnten. Sie
warteten auf ihre Kameraden, die von dort aus einen Zug verabredet
hatten. Da niemand kam, so ging ich nach Hause. Später soll ein Zug
von Studenten dort ein Lied gesungen haben. Um 1 Uhr fuhr ich mit
Maxi) im Landauer, zu dem ich mir zwei Pferde gemietet hatte, auf die
Revue. Von den andern Herren der Botschaft war niemand anwesend,
da Bülow an der See und Thielmann in Compieègne Luft schöpften.
Auf der Tribüne des Präsidenten fand ich eine Zahl Ministersgattinnen,
einige elegante südamerikanische Diplomaten sowie die Freundin des
Hauses Grévy, Madame Dreyfus. Dann kamen Lyons, Fernan Nunnez
und Orlow u. a. Man war sehr zusammengedrängt. Die Revue war
wie alle andern. Die Hitze war gemäßigt durch einen frischen Luftzug.
Die Sonne brannte furchtbar, und viele Soldaten fielen um. Ja, der
Rasen war so ausgedörrt, daß er plötzlich, wahrscheinlich infolge eines
weggeworfenen Zündhölzchens, Feuer fing und zu brennen begann.
Wir sahen, wie ein Regiment, das ziemlich fern von uns stand, sich
alle Mühe gab, den Steppenbrand auszustampfen. Nach der Revue sah
ich mir noch die Boulevards und einige andre Straßen an, um das
Schauspiel der zahllosen dreifarbigen Fahnen zu genießen. Bei der Revue
hatten sich Madame Blest-Gana, Madame Magnin,:) Madame Arago und
der Polizeipräfekt verabredet, um ½9 Uhr zu mir zu kommen, um unter
der Leitung von Andrieux eine Spazierfahrt zu machen. Sie kamen auch
sehr pünktlich. Ich fuhr im Landauer mit Madame Magnin und der
kleinen Blest-Gana, der jüngsten, die fünfzehn Jahre alt ist, einen riesigen
Rembrandthut aufhatte und wie eine Dame Konversation macht. Im
andern Wagen fuhr Madame Arago, Madame Blest-Gana und Andrieux
und die übrigen in einem dritten Wagen. Wir fuhren die Seine entlang
1) Prinz Maximilian von Ratibor, damals Attaché an der Botschaft.
2) Madame Blest-Gana, Gemahlin des chilenischen Gesandten; Madame
Magnin, Gemahlin des Finanzministers.