Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 319 
das Alter dazu erreichen; einstweilen könne er immer Gesandter sein. 
Bülow bezeichnete ich dann als den geeignetsten ersten Sekretär in Paris. 
Um ½12 Uhr gingen wir auseinander. 
Heute nach dem Frühstück kam wieder die Rede auf die Politik gegen- 
über Frankreich. Der Reichskanzler hob wieder wie schon bei früheren 
Gelegenheiten hervor, daß wir nur wünschen könnten, daß Frankreich 
Sukzeß in Afrika habe. Wir müßten uns freuen, wenn es Befriedigung 
anderwärts als am Rhein finde. Unfre Beziehungen zu Frankreich könnten 
stets friedlich und freundlich sein. Solange Frankreich keine Alliierten 
habe, könne es uns nicht gefährlich werden. Wir würden es schlagen, 
auch wenn die Engländer mit ihm wären. Er erzählte bei dieser Gelegen- 
heit folgendes von seinem Aufenthalte in Paris im Jahre 1867: Er hätte 
damals öfters mit Marschall Vaillant gesprochen, der ihm besondere Sym- 
pathie gezeigt und ihm gesagt habe, er, Bismarck, sei bei den französischen 
Soldaten beliebt als „un gaillard qui n’'a pas froid aux yeux“. Als 
Bismarck darauf erwiderte, das sei ihm ja recht lieb und beweise, daß 
man gute Beziehungen zu Frankreich erhalten könne, habe ihm Vaillant 
geantwortet: „Ne vous y trompez pas, 1l faudra tout de méme Croiser 
les baionnettes.“ Und als Bismarck fragte: warum? antwortete er: 
„Nous sommes comme le codq qui ne veut pas qu’'un autre Coq crie 
plus fort due lui.“ „Eh bien,“ antwortete Bismarck, „vous allez nous 
trouver au rendez-vous.“ 
Abends sagte der Fürst noch, wer Minister in Frankreich sei, ändere 
nichts an unfrer friedlichen Politik, auch Gambetta nicht. 
Dann bat er mich, dem Kaiser zu sagen, er sei noch immer nicht 
gesund und leide an den Nerven. Der Keiser sei rücksichtslos gegen ihn 
und ärgere ihn. So habe er auf unbekannte Inspiration dem Fürsten 
wegen Korums Ernennungt) einen groben Brief geschrieben und ihm vor- 
geworfen, daß er Unterhandlungen mit Rom anknüpfe, ohne den Kaiser 
zu fragen. Der Kaiser habe aber dabei vergessen, daß er die Genehmi- 
gung zur Mission Schlözers2) ausdrücklich erteilt habe. Schlözer sei nach 
Rom gegangen, um zu fragen, was man in Rom dazu sage, wenn 
preußischerseits unter Aufrechterhaltung der Gesetze versöhnend vorgegangen 
werde. Von einer Nunziatur und von einem zweiseitigen Vertrag sei nie 
  
1) Die Regierung hatte sich im Juli mit der Kurie verständigt über die Wahl 
des Elsässers Dr. Korum zum Bischof von Trier. Er wurde am 24. August in Rom 
zum Bischof ernannt und geweiht und am 29. August vom König anerkannt. Der 
staatliche Eid wurde ihm erlassen. 
2) Schlözer, damals Gesandter in Washington, war im Juli in geheimer 
Mission nach Rom gegangen, um offiziös über die Beilegung des Kulturkampfs 
zu verhandeln.
	        
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