Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 335
seien, da das ursprüngliche Projekt, wenn es zur Ausführung gekommen
wäre, zu unliebsamen Besprechungen in der Presse beider Länder hätte
Anlaß geben können. Thibaudin sagte, er habe die Manöver abgeändert,
weil er glaube, daß derselbe Zweck erreicht werden könne, ohne die Sache
in diesem großen Maßstabe in Szene zu setzen. „Uebrigens glaubte ich,“
sagte er, „daß Sie gefragt worden wären.“ Ich erwiderte, daß mir davon
nichts bekannt sei. Als ich die Rede auf General Gallifet brachte und
dem General Thibaudin sagte: „Sie haben es vorgezogen, dem General
nicht diese ungewöhnliche Stellung einzuräumen,“ erwiderte er: „Ja, ich
habe es im Interesse des Generals selbst getan, das Kommando würde
ihm persönlich mehr geschadet als genutzt haben.“ Hierauf kam der Kriegs-
minister auf seine eigne Vergangenheit zu sprechen und sagte: „Ich will
Ihnen ganz offen sprechen. Wenn ich aus Mainz weggegangen bin, zu-
nächst aus dem Grunde, meine Mutter aufzusuchen, und dann wieder eine
Stellung in der Armee angenommen habe, so entschuldigt mich die Lage,
in der sich damals mein Vaterland befand. Ich habe aber, und das war
meine besondere Sorge, keine ehrgeizigen Absichten dabei verfolgt und habe
deshalb auch die Stellung, die ich während des Kriegs eingenommen hatte,
nach Abschluß des Friedens sofort wieder aufgegeben. Die Enguete-
kommission hat mich dann freigesprochen.“ Ich beschränkte mich darauf,
ihm zu antworten, daß er sich über die Art, in welcher sich die deutsche
offiziöse Presse über ihn geäußert habe, nicht beklagen werde. Das erkannte
er an und äußerte dafür seine Dankbarkeit.
Paris, 13. Mai 1883.
„Le prodige de ce grand départ céleste du'’on appelle la mort,
cvest due ceux qui partent, ne s'éloignent pas. Oh, qui qdue vous
Soyez qui avez vu s'évanouir dans la tombe un étre cher, ne vous
croyez pas quitté par lui. II est toujours l. II est à cöté de vous
plus due jamais. L'tre pleuré est disparu, non parti. Les morts
Sont les invisibles, mais il ne sont pas les absents.“ (Victor Hugo.)
Der „Rappel“ brachte heute die Rede von Vacquerie bei der Beerdigung
von Madame Drouot. Dabei zitierte er diese Worte.
Paris, 22. Mai 1883.
Heute Morgen fand ich einen Brief des Grafen Seckendorff, der mir
zu meiner Ueberraschung mitteilte, daß die Kronprinzessin, die erst morgen
kommen sollte, bereits heute eingetroffen und im Hotel Bristol sei und daß
sie mich um 1 Uhr erwarte. Ich fuhr hin, wohnte ihrem Dejeuner bei
und verabredete mit ihr, was in den drei Tagen zu tun sei. Da ich