Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Botschafter in Paris (1874 bis 1885) 341 
hetzen. Er will, daß dagegen in der Zeitung vorgegangen werde. „Wir 
wollen,“ sagte er, „von Frankreich nichts.“ Ein Krieg könnte uns nichts 
bringen. Geld wohl, aber deswegen führe man keinen Krieg. Franzosen 
hätten wir schon zu viel. Dann kam er auf die russischen Rüstungen und 
sagte: „Freilich machen sie immer die schönsten Worte, aber sie rüsten fort 
und stehen kriegsbereit an der Grenze. Was helfen mir schöne Redens- 
arten, wenn mir dabei die gespannte Pistole auf die Brust gesetzt wird. 
Das kann nicht so fortgehen. Nun sagen sie wohl, das gelte nur Oester- 
reich, aber wir können Oesterreich nicht zugrunde richten oder schwächen 
lassen. Stünden wir dabei, ohne zu helfen, so würde die Folge sein, 
daß nach dem Kriege eine Tripelallianz Rußland-Oesterreich -Frankreich 
gegen uns fertig wäre. Wer in Europa nicht ruhig sein kann, bedroht 
den Frieden, ist Friedensstörer.“, Es scheint mir, daß Bismarck die 
Allianzen jetzt immer weiter ausdehnen will. Die Anwesenheit von Bra- 
tiano, den er nach Gastein zitiert hat, deutet auf ein Bündnis mit Ru- 
mänien hin. Besorgt sieht er auf Bulgarien, wo der Fürst sich jetzt 
gegen Rußland auf die Hinterbeine setzt. Er gibt ihm recht. Der Fürst 
von Montenegro will die Herzegowina haben und verpflichtet sich dann 
den Türken gegenüber, daß er ihnen Albanien in Ordnung halten wird. 
Karageorgiewitsch will Fürst von Bulgarien werden, um Serbien zu be- 
kommen. Das ist die russische Intrige auf der Balkanhalbinsel. Wir 
wurden gestört durch Bratiano, der eintrat. Der Fürst machte mich mit 
ihm bekannt. 
Berlin, 24. Oktober 1883. 
Nach den Mitteilungen, die ich im Auswärtigen Amt empfing, scheint 
der Reichskanzler in den kirchlichen Sachen vorsichtig und schonend gegen 
Rom verfahren zu wollen. Der Skandal mit dem Kardinal kam ihm 
daher ungelegen.!) Bismarck war gegen die Verleihung eines Regiments 
an den König von Spanien, 2) weil er voraussah, daß ihm dies Unannehm-= 
lichkeiten mit Frankreich bereiten würde, und weil er darin eine „höhere 
Bauernfängerein“ sah. Was Rußland betrifft, so will der Kanzler keinen 
Krieg provozieren und hofft, daß es möglich sein werde, eine Verständigung 
über die Balkaninteressen zwischen Oesterreich und Rußland herbeizuführen. 
  
1) Der Kardinal Prinz Hohenlohe hatte Anfang Oktober, nachdem er um Ent- 
hebung von dem Amte eines Erzbischofs von Albano nachgesucht hatte, Rom ver- 
lassen, angeblich ohne Urlaub. In München hatte er den italienischen Gesandten 
und Döllinger besucht, was die ultramontane Presse zu heftigen Angriffen ver- 
anlaßte. 
2) König Alfons hatte im September an den Manövern bei Homburg teil- 
genommen. Der Kaiser verlieh ihm das Straßburger Ulanenregiment. Darauf 
Zorn der französischen Presse und Beschimpfung des durchreisenden Königs 
in Paris.
	        
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