372 Straßburg (1885 bis 1894)
wahr, daß derselbe zumeist von eingewanderten Deutschen in Szene gesetzt
war. Allein auch Elsässer von Geburt haben sich an dem Fackelzug be-
teiligt, und die Haltung der sich fernhaltenden altelsässischen Bevölkerung
war eine durchaus anständige, und kein Mißton störte die in der Tat
glänzenden Kundgebungen. Ich lege denselben keinen großen politischen
Wert bei; aber der Eindruck auf die gesamte Bevölkerung war ein guter.
Journal.
Straßburg, 14. November 1885.
Die Tage gehen in einer mühevollen Eintönigkeit hin.
Morgens Vortrag von Geheimrat Jordan. Dann Frühstück, und
um 3 Uhr fangen die Audienzen an. Gestern die Verwaltungsbeamten,
dann die Justizbeamten; heute die Universität, eine Anzahl Gymnasial-
lehrer und endlich das Gewerbegericht, die Prud'hommes. Um 6½ Uhr
war das große Diner für die Spitzen und die Generalität. Es war alles
sehr schön hergerichtet mit Blumen und Silber und imponierte gewaltig.
Die Diener waren in weißer Livree. Um 9 Uhr Ball im Zivilkasino,
wo ich die Bekanntschaft von vielen Damen machte. Der Teilettenluxus
ist gering. Getanzt wurde ziemlich anständig. Ich machte unaufhörlich
Cercle und finde, daß das métier de roi ein fichu métier ist.
Heute bekam ich meinen Doppelposten, was zur Beruhigung der
Zivilgemüter beitragen wird, die schon anfingen sich darüber zu ärgern,
daß ihr Statthalter so schlecht behandelt werde.
Metz, 17. November 1885.
Gestern Ankunft in Metz. Spitzen der Behörden am Bahnhofe.
Fahrt unter einigem Hurrageschrei und Geläute der Glocken nach dem
Hotel de l'Europe. Dort wurde ich von der Tochter des Wirts mit einem
Bukett und einer deutschen Anrede empfangen, die sie, obgleich Französin,
gelernt hatte und ganz gut vortrug. Dann Umziehen in den Frack und
Fahrt in das Bezirkspräsidium, eine elegante Präfektur, wo Empfang der
zahlreichen Beamten und des Bischofs stattfand. Ich hielt erst eine An-
sprache, wendete mich dann an den einundachtzigjährigen Bischof, einen
Legitimisten, und sagte ihm, „que j'étais heureux de lui témoigner le
respect due m’inspiraient son grand äge, sa dignité ecclésiastique et
les grandes qualités qui le distinguent“. Er war dadurch sehr angenehm
berührt. Dann Vorstellung und Cercle. Nachher Fahrt auf die schöne
Esplanade mit der Aussicht auf das Moseltal und Visitenfahrt. Um
6 Uhr Diner bei dem Präsidenten von Hammerstein, und um 8 Uhr kam
der Fackelzug. Sehr schön. Der Platz hell erleuchtet durch die Lampions
und Fackeln und bengalisches Licht, dahinter der riesige Dom. Heute den