Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

378 Straßburg (1885 bis 1894) 
Um 6½ Uhr hatte ich Audienz bei den Erzherzögen und dem Prinzen 
und der Prinzessin ) Ludwig Ferdinand. Ich hatte Mühe, mich in dem 
Palais zurechtzufinden, kam aber doch zuerst zu den Erzherzögen und um 
7½ Uhr zu den bayrischen Herrschaften. Daß die Erzherzöge nicht sehr 
niedergebeugt waren, hatte ich schon unterwegs von Straßburg aus, wo 
ich mit ihnen fuhr, bemerkt und am Ende begriffen. Daß aber auch die 
Schwestern 2) Paz und Eulalia vergnügt sein würden, hatte ich nicht er- 
wartet. Der Prinz Ludwig Ferdinand war natürlich wie immer. Die 
Prinzeß Paz) verzog keine Miene, als ich vom König sprach, und ging 
dann bald auf gleichgültige Dinge über. Die Prinzeß Eulalia ) kam 
dann ganz vergnügt herein und sprach auch, als wenn nichts Besonderes 
geschehen sei. Als ich durch die Straßen von Madrid nach Hause fuhr 
mit diesem Eindruck und durch die vergnügte, bummelnde Menge, fiel mir 
Platens Gedicht ein: 
„Es liegt an eines Menschen Schmerz, 
An eines Menschen Wunde nichts; 
Es kehrt an das, was Kranke quält, 
Sich ewig der Gesunde nichts.“ 
Nun liegt der König, der noch vor vierzehn Tagen, wenn auch nicht 
gesund, so doch noch lebend, teilnehmend und fetiert war, in der dunkeln 
Kammer im Eskorial, wo er erst verwesen muß, ehe man ihn in die Königs- 
gruft legt, und hier geht alles seinen gewöhnlichen Weg, und selbst die, 
die ihm am nächsten gestanden haben, denken kaum mehr an ihn. 
„Und jeder glaubt ein All zu sein, 
Und jeder ist im Grunde nichts.“ 
11. Dezember. 
Heute Vormittag Einkäufe von Fächern und andres, Nachmittags 
Audienz bei der Königin Isabella und dann bei der Infantin Isabella. 
Beide schienen noch sehr betrübt, sprachen aber dann von unserm gemein- 
samen Aufenthalt in Paris. Die Königin sagte, Straßburg würde wohl 
sehr langweilig sein. 
Um 3 Uhr fuhr ich zu Sagasta, dem Ministerpräsidenten, einem 
kleinen, jüdisch aussehenden, lebhaften Mann, bei dem ich einige Bischöfe 
fand, die sich aber bald empfahlen. Sagasta sagte, der Tod des Königs 
sei ein großes Unglück, er hoffe aber, daß sich die Königin-Regentin halten 
  
1) Geborene Infantin von Spanien. 
2) Des verstorbenen Königs. 
3) Gemahlin des Prinzen Ludwig Ferdinand von Bayern. 
4 Gemahlin des Prinzen von Orleans-Bourbon.
	        
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