Straßburg (1885 bis 1894) 379
werde. Den etwaigen Projekten der Karlisten oder den Revolutionären
gegenüber sei man entschlossen, Gewalt zu brauchen. Die Konservativen
seien für die Regierung gestimmt und würden keine Schwierigkeiten
machen.
12. Dezember 1885.
Heute um 10 Uhr war die große Trauerfeierlichkeit in der Kirche
von San Francisco el Grande. Wir fuhren um ½10 Uhr hin, fanden
unfre Plätze und wohnten diesem sehr schön angeordneten Trauergottes-
dienste bei. Oben vor dem Altar rechts saßen drei Kardinäle, wir Bot-
schafter auf der linken Seite. Ich zwischen Des-Michels und Schuwalow,
uns gegenüber der Infant von Portugal, Herzog von Coimbra, die Erz-
herzöge und Prinz Ludwig Ferdinand von Bayern. Ich lernte auch den
Nunzius kennen, der mich fragte, wie ich mit dem Klerus in Elsaß-Loth-
ringen zufrieden sei. Als ich ihm nur Gutes zu sagen wußte, bemerkte
er, wenn es nur auch in Preußen zum Frieden kommen könnte. Ich
sagte, ich zweifelte nicht an den guten Absichten Seiner Heiligkeit und
ebensowenig an denen meiner Regierung; die Schwierigkeit liege aber an
dem Zentrum, das keinen Frieden wolle.
Was ich schon früher hier bemerkt hatte, war die Vergnügtheit der
Spanier. Der Trauergottesdienst kam ihnen wie ein Fest vor, alle
Minister und Würdenträger begrüßten uns mit lächelnden Mienen,
schwatzten und lärmten und schienen ganz zu vergessen, daß es sich um
eine Totenfeier handelte. Das liegt im Charakter der Leute. Der Tod
ist ihnen etwas Unheimliches, über das sie so rasch wie möglich weggehen.
Dabei sind sie naiv und kindlich und fern von jeder Hypokrisie. Traurige
Gesichter machen, wenn es ihnen nicht danach ums Herz ist, können sie nicht.
An den Reichskanzler.
Madrid, 12. Dezember 1885.
Eurer Durchlaucht erlaube ich mir über einige Unterredungen, die ich
mit spanischen Staatsmännern hatte, im nachstehenden Bericht zu erstatten.
Herr Canovas del Castillo, der mir gleich nach meiner Ankunft seinen
Besuch machte, begann seine Unterredung mit der ausführlichen Darlegung
der Krankheitsgeschichte des verstorbenen Königs. Er sagte, der König
habe von seiner Kindheit an eine schwache Konstitution gehabt und der-
selben mehr zugetraut, als diese habe ertragen können. Bis zum fünf-
undzwanzigsten Jahre sei dies ohne nachteilige Folgen geblieben. Von
da an aber habe er häufige Fieberanfälle gehabt, die ihn geschwächt und
einen Zustand der Anämie herbeigeführt, und die besonders in den letzten
zwei Jahren eine allgemeine Entkräftung zur Folge gehabt hätten, so daß
das letzte Leiden nicht die nötige Widerstandskraft gefunden und mit einer