Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

Im Reichstage (1870 bis 1374) 31 
Heute um 1 Uhr war Fraktionssitzung der Freikonservativen, zu der 
ich eingeladen war. Ich fand dort Bethusy, Friedenthal, Münster, Pleß, 
Frankenberg (letzterer von Versailles eben ankommend) und viele andre 
Reichstagsmitglieder. 
Bethusy führte den Vorsitz, richtete an die Versammlung einige ein- 
leitende Worte und bat mich dann im Namen der Versammlung um Aus- 
kunft über unfre Stellung dem Vertrage gegenüber. Ich sagte mit 
wenigen Worten, wenn der Vertrag hier verworfen würde, so werde die 
ultramontane Majorität dies in Bayern gern akzeptieren, würden Modi- 
fikationen gebracht, so würden auch bei uns solche gemacht werden, dann 
stehe die Sache in der Luft. Ich riet also, einfach zuzustimmen. Die 
Verträge ließen allerdings viel zu wünschen, doch möge man es einmal 
mit einer schlecht redigierten Verfassung probieren, nachdem man mit den 
schönsten Verfassungen in Frankfurt und Erfurt kein Resultat erzielt habe. 
Ich bat dann, wenn die Herren eine Auskunft haben wollten, sich mit 
Fragen an mich zu wenden. 
Bethusy fragte nun, ob ich ihnen etwas Näheres über die Nachricht 
mitteilen könne, daß der König von Bayern dem König von Preußen die 
Kaiserkrone angeboten habe, dies würde von großem Gewicht bei der Be- 
ratung über die Annahme sein. 
Ich sagte darauf, daß ich darüber weder mit dem König noch mit 
den Ministern gesprochen hätte, also auch keine authentische Auskunft geben 
könne, daß ich aber glaubte, die Nachricht sei richtig. Dies machte großen 
Eindruck und beseitigte alle weiteren Bedenken. Zugleich hatte Bethusy 
den Gedanken, daß der Reichstag bei der Beratung eine Modifikation 
in bezug auf Titulatur in die Verfassung bringen möge. Ich riet davon 
ab, ebenso Friedenthal. 
Nachher entspann sich noch eine Konversation zwischen mir und 
Münster über die Frage, ob in den Fällen, wo es sich nach Annahme 
eines Gesetzes durch den Reichstag noch um die Zustimmung der bayri- 
schen Regierung handle, diese noch die Zustimmung der bayrischen 
Kammern erholen müsse. Ich verneinte letzteres, riet aber, darüber nicht 
weiter zu reden. · 
Schließlich wurde ein Antrag der Konservativen (von Blankenburg 
verfaßt) verlesen, worin der Vorschlag gemacht wird, nach der Annahme 
der Verfassung den Wunsch wegen eines zu gründenden Staatenhauses an 
den Bundesrat zu richten. Dieser Vorschlag fand aber bei den Frei- 
konservativen keinen Beifall. Man will hier jetzt nur das annehmen, 
was geboten ist, und verspart sich alle Modifikationen auf die Zeit, wo 
man doch an die Revision der Verfassung gehen müsse. Schon der 
Kaisertitel wird dahin führen.
	        
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