Straßburg (1885 bis 1894) 383
Zabern, 5. Juni 1886.
Der erste Tag der Reise nach Zabern ist nun hinter uns. Er war
ziemlich ermüdend. Wir fuhren, Thaden und Sommert) mit mir, um
9 Uhr von Straßburg im Orientexpreßzug ab und wurden in Zabern
von dem Kreisdirektor Bickell, dem Bürgermeister, Oberstleutnant Messow,
Präsident Munzinger und andern Würdenträgern empfangen. Nach den
ersten Begrüßungen, denen die internationalen Reisenden des Orientexpreß
mit lebhaftem Interesse folgten, wurde ich auf den Platz vor dem Bahn-
hofe geführt, wo die Schuljugend aufgestellt war. Zuerst wurde ich von
einem kleinen weißgekleideten Mädchen der höheren Döchterschule mit
einem Bukett beschenkt und mit einem Gedicht begrüßt, das das Kind recht
gut auswendig gelernt hatte. Dann begrüßte mich die Schule der Schul-
schwestern auch mit einem Gedicht und Blumen. Dann kamen andre
Schulen, wo mit den Lehrern Cercle gemacht wurde. Hierauf bestiegen
wir die Wagen und fuhren durch die mit Ehrenpforten und Fahnen ge-
schmückte Stadt nach der Kreisdirektion, wo mich Frau Bickell begrüßte.
Bald darauf ging es nach der katholischen Kirche, wo der Pfarrer mir
eine Rede vorlas, in der er seiner Freude über den katholischen Statt-
halter Ausdruck gab und an die Mitglieder meiner Familie erinnerte,
welche hohe Stellungen in der Kirche einnahmen und noch einnehmen.
Von Onkel Alexander 2) sagte er, dieser „Wundermann“ sei würdig, heilig.
gesprochen zu werden, und dann sprach er von dem Kardinal, „der zur
Seite Leos XIII. stehe“. Hierauf zog ich prozessionaliter in die Kirche,
nahm vor dem Altar Platz und hörte dem Gesang zu. Dann zeigte mir-
der Pfarrer die Kirche. Von hier fuhren wir nach der katholischen
Franziskanerkirche, die ganz wie die Schillingsfürster Kirche aussieht.
Ich vergesse, daß ich dem Pfarrer auf seine Anrede geantwortet habe,
ich danke ihm für seine freundliche Begrüßung und erkenne in seinen
Worten, daß der Klerus von Elsaß-Lothringen mir mit Vertrauen ent-
gegenkomme. Auch dankte ich für die Erwähnung meiner Familienglieder
und versprach, dem Kardinal seine Worte mitzuteilen.
In der protestantischen Kirche war der Empfang einfacher. Zuletzt
fuhren wir nach der Synagoge, wo der Sänger einen langen hebrischen
Gesang anstimmte, worauf der Rabbiner eine Rede hielt, die ich beant-
wortete. Um 12½ Uhr war Frühstück in der Kreisdirektion, darauf
Vorstellung der Beamten, des Gemeinderats, der Kreistagsmitglieder u. a.
Um ½3 Uhr kamen die Offiziere des Jägerbataillons. Nun ging es in
1) Damals Regierungsassessor im Bureau des Statthalters.
2) Prinz Alexander zu Hohenlohe-Waldenburg-Schillingsfürst (1794 bis 1849),
Geistlicher, Weihbischof in Großwardein, berühmt durch seine Gebetsheilungen.