Straßburg (1885 bis 1894) 387
zugenommen habe, daß er nicht mehr ordentlich sprechen könne, wie denn
überhaupt über seinen Zustand kein Zweifel geäußert wurde. Dann sprach
noch der Referent, man kam über die Art des Vortrags in der öffentlichen
Sitzung überein, und nachdem alle Mitglieder der Kommission sich für den
Antrag der Regierung erklärt hatten, war die Sitzung zu Ende.
Am Sonnabend dem 19. war die Leichenfeier. Ich wurde durch
Castell veranlaßt, in das Zimmer der Prinzen zu gehen, wo ich Gelegen-
heit hatte, mich den höchsten Herrschaften vorstellen zu lassen, so dem öster-
reichischen Kronprinzen, dem Prinzen Georg von Sachsen u. a. Auch der
Großherzog von Baden war da und viele andre Fürstlichkeiten. Im Zuge
ging ich als Kronbeamter mit Oettingen. Das Wetter war glücklicherweise
während des Zugs sehr schön. Nachher kam ein Gewitter. Um 12 Uhr 20
fuhr ich mit dem Orientexpreßzuge wieder nach Straßburg zurück, wo
ich um 9 Uhr pünktlich eintraf. Nachträglich füge ich noch bei, daß sich
bei der Sektion des Königs herausgestellt hat, daß sein Gehirn degeneriert
war, während sein Körper sich im übrigen vollkommen gesund zeigte.
Die Aufregung in München war groß, und allerlei abenteuerliche
Gerüchte durchschwirrten die Stadt. Man sprach davon, daß der König
umgebracht worden sei u. s. w. Das wird sich legen, wenn die Dinge,
die uns mitgeteilt worden sind, bekannt werden. Im allgemeinen machte
sich das Gefühl geltend, daß es gut sei, daß diese Regierung ihr Ende
erreicht habe.
Ems, 27. Juni 1886.
Heute Spaziergang an der Quelle mit Lippe und Reischach, Lehndorff
und andern. Um 9 Uhr ließ mich der Kaiser rufen, mit dem ich einen
Spaziergang machte, wobei wir uns von gleichgültigen Dingen unterhielten,
nachdem der Kaiser anfangs über den Tod des Königs gesprochen hatte.
Dann ging ich nach Hause und wartete, da mir der Kaiser gesagt hatte,
ich solle noch einmal zu ihm kommen. Der Fourier holte mich denn auch
um 11 Uhr ab. Ich blieb sehr lange beim Kaiser, sprach aber nur wenig
von Geschäften und nur das Notwendigste, um ihn nicht zu ermüden.
Doch erwähnte ich die Ernennung zum Staatsrat für Bulach, womit er
einverstanden schien, die Wohnung der Kaiserin auf der Mairie und ver-
schiedenes aus Straßburg.
Um 4 Uhr war Diner beim Kaiser. Ich saß rechts von ihm, links
Loö. Keller und Königsmarck waren auch da. Ich sprach mit Perponcher
über die Straßburger Wohnungsfrage. Daß die Kaiserin nicht im Statt-
haltergebäude wohnen soll, geniert den Hofstaat wegen der Verpflegung.
Ich sagte, es sei nicht so schwer zu machen. Der Kaiser und die Kaiserin
hätten nichts dagegen, und letztere habe mir gesagt: „Auf Wiedersehen in
der Mairie!“ Nach dem Diner ging ich zur Fürstin Olympe Bariatinsky,