Full text: Denkwürdigkeiten des Fürsten Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfürst. Zweiter Band. (2)

396 Straßburg (1885 bis 1894) 
ist es, weil es mich drängt, den Vertretern der Stadt, in der ich zu leben 
berufen bin, ein freundliches, dankendes Wort zu sagen. 
In der Tat, wenn ich zurückblicke auf dieses an freudigen und ernsten 
Ereignissen reiche Jahr, so muß ich erkennen, daß vieles Erfreuliche, ich 
kann wohl sagen das Beste, was mir in diesem Jahre zuteil geworden, 
in seinem Ursprunge zurückgeleitet werden kann auf die Stadt Straßburg 
und ihre Bewohner. 
Ich will Ihnen meine Gedanken darlegen, indem ich auf drei Ab- 
schnitte dieses Jahres hinweise. Als ich im vorigen November hierherkam, 
nicht ohne Sorge ob der Schwierigkeit der mir gestellten Aufgabe, da hat 
mich der freudige Zuruf der Bevölkerung dieser Stadt mit dem Selbst- 
vertrauen erfüllt, das dem Staatsmanne, der schwere Arbeit vor sich sieht, 
unentbehrlich ist. Und als ich im Laufe dieses Sommers, entsprechend 
dem einstimmigen Wunsche der Landesvertretung und unbeirrt durch hie 
und da auftauchende Zweifel, die Wahlen zum Straßburger Gemeinderat 
ausschreiben ließ, da hat mir die Stadt geantwortet, indem sie einen Ge- 
meinderat wählte, zusammengesetzt aus den besten Männern der Stadt, 
der seine Aufgabe nicht darin sieht, den Saal des Gemeinderats zur Arena 
politischer Diskussionen werden zu lassen, sondern der treu und gewissen- 
haft nur das Wohl der Stadt im Auge hat. Und als in diesem 
Herbste das ehrwürdige Kaiserpaar die Stadt Straßburg mit seinem 
Besuche beehrt hat, da sind die Majestäten empfangen worden, durch 
die einen würdig, durch die andern mit stürmischer Begeisterung, durch 
alle aber ehrfurchtsvoll und freudig; und dieser Empfang hat mich mit 
um so größerer Freude erfüllt, je tiefer das Gefühl der treuen An- 
hänglichkeit und Verehrung ist, das ich nun seit einem halben Jahr- 
hundert für meinen kaiserlichen Herrn im Herzen trage. Gegenüber 
solchen Erlebnissen und solchen Tatsachen ist es natürlich, daß ich mich, 
trotz der verhältnismäßig kurzen Zeit, leicht an den Gedanken gewöhnt 
habe, Straßburg als meine Heimat anzusehen. Und so kommt es, daß, 
wenn ich nach vorübergehender Abwesenheit hierher zurückkehre, der Münster- 
turm mir schon von weitem erscheint wie ein Gruß aus der Heimat, und 
daß es mich wohltuend berührt, wenn mich abends die Münsterglocke 
mit melodischem Klange gemahnt, daß ich in meinen alten Tagen ein guter 
Straßburger geworden bin. Als solcher erhebe ich das Glas und trinke 
auf die Stadt Straßburg und ihre Vertreter. 
Journal. 
Baden, 18. Oktober 1886. 
Um dem Kaeiser vor seiner Abreise nach Berlin einen Abschiedsbesuch 
zu machen, fuhr ich gestern früh von Straßburg hierher und ging, mich
	        
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