Straßburg (1885 bis 1894) 405
Rede bei dem Diner zu Ehren des Landesausschusses am
9. Februar 1887.
Meine Herren! Wenn ich im vergangenen Sommer durch die Fluren
des Landes wanderte oder von den Höhen der Vogesen auf die lachenden
Täler herabsah, da fielen mir oft die Worte unsers großen deutschen
Dichters ein, mit welchen er den Eindruck schildert, den er gewann, als
er zum erstenmal von der Plattform des Münsters auf die Stadt Straß-
burg und ihre Umgebung herabschaute, jene Stelle in den Jugenderinne-
rungen des Dichters, wo er in lebendigen Farben die Landschaft malt,
die bewaldeten Ufer des Rheins, die grünen Wiesen, die reiche Ebene, die
er als ganz geeignet zu einem Paradiese bezeichnet, und wo er sich dann
glücklich schätzt, daß er eine Zeitlang in diesem schönen Lande wohnen
dürfe. Wenn schon die Aussicht auf einen vorübergehenden Aufenthalt
den jungen Dichter zu so begeisterten Worten bewegen konnte, so darf ich
wohl mit größerem Rechte mich glücklich preisen, dem es vergönnt ist, an
der Spitze des nun wieder deutsch gewordenen Landes zu stehen, und der
die Förderung der Wohlfahrt desselben als seine Lebensaufgabe betrachten
darf. Je mehr nun in mir das Gefühl der Anhänglichkeit an dieses Land
erstarkt, um so inniger durchdringt mich der Wunsch, daß Gott dasselbe
bewahren möge vor jeglicher Trübsal, daß er es insbesondere behüten
möge vor den Schrecknissen eines neuen blutigen Krieges. Und wenn ich
heute das verhängnisvolle Wort ausspreche, so geschieht es nicht, weil ich
den Krieg für nahe bevorstehend ansehez aber — darüber dürfen wir uns
keiner Täuschung hingeben — die Gefahr besteht, und sie wird so lange
bestehen, als unfre westlichen Nachbarn sich nicht an den Gedanken ge-
wöhnen können, daß der durch den Friedensvertrag geschaffene Rechts-
zustand ein dauernder sei.
Diese Gefahr wird dann sofort uns gegenübertreten, wenn es einer
unruhigen Minderheit gelingen sollte, das sonst so friedliche und arbeit-
same Volk Frankreichs zu Entschlüssen fortzureißen, die uns nötigen
würden, für unser gutes Recht mit aller Energie und mit der ganzen
Macht des Reichs in die Schranken zu treten. Ist dem aber so, dann
gewinnt jede öffentliche Kundgebung diesseits der Vogesen, dann gewinnen
insbesondere die Wahlen erhöhte Bedeutung, zumal da dieselben der Be-
völkerung von Elsaß-Lothringen die Gelegenheit bieten, ihre friedliche Ge-
sinnung zu betätigen und mitzuarbeiten an dem Werk der Erhaltung des
Friedens. In der Tat wäre nichts mehr geeignet, den Frieden zu ge-
fährden und die Kampflust jener erwähnten Minderheit anzufachen, als
die Wahl von Männern, welche die Zweifel an der Dauer unsers Rechts-
zustandes teilen, oder solcher Männer, welche sich weigern, dem Deutschen